Digitalisierung im HR-Bereich bietet unzählige Chancen, Prozesse zu optimieren und gleichzeitig die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen. So gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und digitalisierten Prozessen, wie eine im Jahr 2021 durchgeführte Studie1 ergab. Mit einem höheren Grad an Digitalisierung könnte die HR nicht nur ihren Prozessen zu mehr Transparenz sondern auch den Mitarbeitenden zu mehr Zufriedenheit verhelfen.

Dieser Artikel wurde von Gisela Kollmann verfasst, die 2021 vom DÖIM als Interim Managerin des Jahres ausgezeichnet wurde.

Gisela Kollmann meint, dass die enormen Möglichkeiten der Digitalisierung mitunter auch zu Überforderungen führen. Oft gibt es im eigenen Unternehmen Resistenz, sich „zu ändern“, fehlende Ressourcen und Zeitmangel. Alle laufen im bekannten “Hamsterrad”. Dabei könnte HR als Gestalterin der Digitalisierung auftreten und das Thema intern vorantreiben. Die gute Nachricht: Es gibt einen Weg raus aus dem administrativen „HR-Eck“. Wir wollen Sie ermutigen: mit mehr Begeisterung und Tatendrang die nächste Stufe im Personalmanagement zu erreichen.   

Klare Strategie entwickeln

Klare Zielsetzungen im Rahmen einer formulierten Digitalisierungsstrategie helfen, Prioritäten zu setzen und den Fokus zu bewahren. Fragen Sie sich deshalb:
Was sind ihre zentralen Herausforderungen, und wie wird die Veränderung im Unternehmen für alle Stakeholder spürbar sein? Welche HR-Kernprozesse gibt es intern und extern, und wie müssen diese gestaltet werden, damit es in diesen Prozessen nicht immer wieder stockt? Der erarbeitete Fokus macht für alle im Unternehmen transparent, was gerade wichtig ist bzw. Woran im Unternehmen gearbeitet wird. 

Stakeholder beteiligen  

Damit der Veränderungsprozess gelingt, sollten Sie wichtige Stakeholder einbinden, um Digitalisierungsschritte nachvollziehbarer zu machen. Denken Sie daher daran, Ihre internen Stakeholder am Prozess zu beteiligen. Fragen Sie intern nach, wo die großen „Zeitfresser“ liegen, welche Daten schneller benötigt werden und wo repetitive Tätigkeiten liegen. Zu manuellen Aufgaben, die sich regelmäßig wiederholen, zählen beispielsweise Erfassung, Dokumentation, Weiterleitung oder Archivierung. Diese Tätigkeiten tragen seit jeher oft zur Frustration aller Beteiligten bei. Haben Sie einen guten Überblick über diese HR-Prozesse, können Sie mit ihrer Digitalisierungsstrategie die ersten Schwerpunkte erarbeiten und den aktuellen Prozess mit dem Wunsch-Prozess vergleichen.

Passende Softwarelösung wählen  

Eine der wesentlichsten Entscheidungen ist die Auswahl des richtigen Tools, wobei die Unternehmensgröße, insbesondere die Anzahl der Mitarbeitenden, und die bereits vorhandene Toollandschaft entscheidende Faktoren darstellen. Nicht immer ist es sinnvoll, EINE Softwarelösung für alle Probleme und Prozesse einzusetzen. Auf der Suche nach einer „eierlegenden Wollmilchsau“ kommt es oft zu Verzögerungen. Außerdem sind mit der Wahl der Softwarelösung(en) nachhaltige Kostenentscheidungen verbunden. Seien Sie deshalb kritisch und versuchen Sie nicht, alle Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. 

Mitarbeitende schulen 

Ist die Wahl einmal getroffen, so müssen die Mitarbeitenden in der Anwendung der Tools geschult werden. Dies erfordert neue Kompetenzen und verändert in vielen Fällen auch den Arbeitsalltag. Analysieren Sie den Bedarf sehr genau: Schulungen können aufwendig sein und viele Ressourcen beanspruchen. Das Outsourcen von Schulungsmaßnahmen kann die neu erworbenen Kompetenzen und den Erfolg Ihres Digitalisierungsprojektes positiv oder negativ beeinflussen.  

Projekt professionell planen 

Zu guter Letzt ist ein stabiler Projektplan und ein professionelles Projektmanagement wichtig, um die Digitalisierung erfolgreich durchzuführen. Bleiben Sie flexibel und agil und hören Sie auf das Feedback der Stakeholder. Aber seien Sie auch fähig zu unterscheiden, wo trotz kritischen Feedbacks die Haltung eines begeisterten Pioniers erforderlich ist, der geraden Schrittes vorangeht. Kommunizieren sie stets klar und solide, wo Sie im Projekt stehen und warum der nächste Schritt das Unternehmen näher zum Ziel führt.  

Fallbeispiel 1: Einführung einer neuen HR-Software im Großbetrieb 

Ein Unternehmen der Gesundheitsbranche entschied sich vor einigen Jahren, das Programm zur Dienstplanung und Zeiterfassung umzustellen. Die dahinterliegende Struktur ist komplex: Es müssen acht verschiedene Kollektivverträge, 95 Standorte mit individuellen Betriebsvereinbarungen und insgesamt 5000 Mitarbeitende berücksichtigt werden. Über mehrere Jahre wurde mit einem externen IT-Partner eine maßgeschneiderte Software entwickelt. Nun galt es, in diesem Programm Dienste planen und tatsächliche Zeiten der An- und Abwesenheiten auch abrechnen zu können. Sie denken jetzt, das wäre einfach? Ganz so „easy“ war es nicht. Die Erfassung der Prozesse und die Programmierung der Software dauerte Jahre! Waren dabei doch nicht nur die Grund-Funktionalitäten neu zu programmieren, sondern auch die rechtlichen Voraussetzungen durch Kollektivverträge und gesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen.  

Drei Jahre nach dem Start des Projektes waren erst sieben Standorte auf das neue Programm umgestellt. In dieser Situation übernahm die Expertin der Management Factory das Projekt. Trotz der äußerst schwierigen Rahmenbedingungen waren die Erwartungen hoch: Es galt, das Projekt innerhalb von sechs Monaten fertig umzusetzen und auch die restlichen 88 Standorte auf die neue Software umzustellen. Und das, obwohl die Spezialanforderungen und Sonderprozesse der Standorte noch gar nicht vollständig erhoben oder programmiert waren.  

Dennoch war dies eine wahnsinnig schwierige Entscheidung, weil die Ressourcen für die Umsetzung des Projektes bereits knapp waren und nicht erweitert werden konnten.

Schlüsselfaktoren für den Erfolg 

Warum ist es gelungen, diese enorme Herausforderung zu meistern? Zu den Schlüsselfaktoren zählten folgende Punkte: 

  • Gute Projektplanung mit einem klaren Setup und minutiöse Planung im Rollout  
  • Klare Kommunikation der To Do’s an alle Beteiligten (Team, Standort, IT-Entwicklung, Management) 
  • Entscheidung, die Schulungen inhouse abzuwickeln 
  • Einsatz eines Kollaborationstools für die Kommunikation mit den Standorten und Abwicklung der Anfragen nach Priorität 

Natürlich gab es noch viele andere Faktoren, wie etwa eine gelebte „Vertrauenskultur“, Flexibilität und Motivation im Projektteam, und vor allem der Mut zur Umsetzung. 

Dass die Schulungen am neuen Programm nun intern durchgeführt wurden – trotz knapper Ressourcen im Projektteam – war eine der entscheidenden Erfolgskriterien. Das externe Trainingsinstitut konnte diese Leistung nicht in der erwünschten Qualität erbringen, obwohl ein Handbuch und das nötige Know-how zu Funktionalitäten und entwickelten Prozessen zur Verfügung gestellt wurden. Dennoch war dies eine wahnsinnig schwierige Entscheidung, weil die Ressourcen für die Umsetzung des Projektes bereits waren und nicht erweitert werden konnten. Durch die internen Trainings wurde ein Mehrwert geschaffen: Die HR konnte das neue Programm viel intensiver und besser „verkaufen“ und die Begeisterung überspringen lassen. Darüber hinaus konnte man durch die direktere Kommunikation auf Probleme der Standorte schneller reagieren. Insgesamt war man durch die Inhouse-Schulungen „näher“ am Standort und deren Umsetzung.  

Ein weiterer herausfordernder Faktor war die interne Kommunikation, die sich durch die vielen Anfragen zum neuen Programm ergab. Wir entschieden uns für das JIRA-Kollaborationstool, welches dabei half, alle Anfragen zu kanalisieren, entsprechend der Priorität abzuwickeln und dem Projektteam ermöglichte, die Aufgaben effizient zu erledigen. Das noch nie eingesetzte Tool wurde von einer motivierten internen IT hervorragend implementiert und verfügbar gemacht. 

Das Projekt konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Obwohl für den Kunden alle Ziele erreicht wurden, kann man für andere Digitalisierungsprojekte Folgendes lernen:  

  • Sich im Vorfeld fragen, welche HR-Prozesse vereinheitlicht werden könnten
  • Nach Vereinfachungen im Unternehmen zu suchen: Wo lohnt es sich, zu generalisieren, statt zu weiterhin einer individuellen Lösung den Vorzug zu geben?

Unsere Empfehlung:

Vergessen Sie nicht, sich rechtzeitig einen Überblick über Ihr Digitalisierungsprojekt zu schaffen: Warum stockt es? `Wie läuft es mit dem Zeitplan? Woher kommt ein möglicher Zeitverzug? Was gestaltet sich schwierig? Warum? Der Druck zur Umsetzung sollte nicht aus dem Gefühl kommen, es gäbe kein Zurück. 

Fallbeispiel 2: Einführung eines Rollenkonzeptes im Mittelbetrieb 

In einem Unternehmen der Kreativbranche entschied man sich, nach einem ersten Fehlstart neue Kraft zur Umsetzung eines „Rollenkonzepts“ zu schöpfen. Im Rahmen eines Strategizing-Prozesses wurde es zu einem der Fokusthemen der Organisation. Die Ziele wurden klar ausgearbeitet: Alle Aufgabenbündel im Unternehmen sollen für alle sichtbar werden, ebenso die mit den Aufgaben verbundenen Autoritäten und Verantwortlichkeiten. Dies sollte die Organisation in einer immer volatileren Projektwelt antwortfähiger machen.  

In einem Unternehmen, in dem noch nie verschriftlicht wurde, welche Aufgabenbündel zum Funktionieren der Organisation beitragen, ist diese „Bestandsaufnahme“ ein aufwändiger Teil des Vorhabens. Im vorliegenden Fallbeispiel dauerte es sechs Monate, bis alle Rollen klar definiert waren. Dabei darf man sich diese Aufnahme nicht als ein „Protokollieren“ von bestehenden Aufgaben verstehen, es geht vielmehr eine Schicht tiefer: Der Prozess der Aufnahme und Verschriftlichung benötigte in einigen Fällen unzählige Gesprächsrunden und intensive Diskussionen, in denen es auch um Entscheidungskompetenzen und Abgrenzungen von Tätigkeiten ging. In manchen Fällen förderten diese Gespräche bereits bestehende Konflikte, intransparente oder nicht funktionierende Prozesse zutage. Hier zeigte sich einmal mehr: Die Digitalisierung der Aufgaben greift in der Regel tief in die Unternehmenskultur und die Gewohnheiten der Organisation „as is“ ein. 

Diese Art von Digitalisierung stellt eine große Veränderung für alle Mitarbeitenden dar, inklusive der Geschäftsführung. Die Transformation umfasst den Weg vom Impliziten zum Expliziten, von Intransparenz zu Transparenz, von Personenorientierung zu Organisationsorientierung. Hier steht folgende Frage im Mittelpunkt: Was braucht die Organisation, damit diese gut funktioniert und ihre Bestleistung für den Kunden erbringen kann? Dies ist konträr zum Bauen von Positionen rund um Menschen. In einigen Fällen werden auch Machtverhältnisse verschoben, in anderen kommen latente Konflikte zutage. Ein Rollenkonzept einzuführen bedeutet, dass die Macht im Unternehmen von wenigen auf viele verteilt wird, um Erleichterung und eine höhere Resonanz beziehungsweise Antwortfähigkeit auf die Umwelt zu erlangen. Anstatt weniger Entscheidungsträger gibt es plötzlich viele, die etwas „dürfen“. Das Reden über die eigene Rolle und das tiefe Eintauchen in die eigene Aufgabenwahrnehmung kann mitunter auch verwirrend sein. 

Nach der Aufnahme der Rollenbilder wurden diese in einem digitalen Tool abgebildet, zu dem alle Mitarbeitenden Zugang erhalten. Mit der professionellen Vorbereitung und Kommunikation an die Belegschaft wurde damit der erste „Wow-Effekt“ erzielt. Dann mussten alle Führungskräfte und Mitarbeitenden im neuen Tool geschult werden. Neben diesen technischen Voraussetzungen wurden außerdem gemeinsame Prozesse erarbeitet. Beispielsweise ging es darum, wie veränderte Rollen prozessiert werden oder wie Rollen im Unternehmen vergeben werden. 

Klingt das in Ihren Ohren ziemlich anstrengend? Die HR-Expert:innen der Management Factory würden Ihnen Recht geben: Ein solches Projekt ist nichts für „Warmduscher“! Solche Projekte brauchen einen hundertprozentigen Rückhalt des obersten Managements. Darüber hinaus kann diesen Veränderungsprozess nur eine HR-Führungskraft mit großer Erfahrung managen. Sie benötigt nicht nur Durchhaltevermögen und IT-Affinität, sondern auch eine große Bandbreite an fachlichen und sozialen Kompetenzen, etwa im Bereich Konfliktlösung. 

Unsere Empfehlungen 

Komplexität und Volatilität der Umwelt fordern früher oder später von jedem Unternehmen, sich zu transformieren. Vieles muss dabei gleichzeitig geschehen – und das (über)fordert dort, wo Digitalisierung und Agilität bisher nicht in dem Ausmaß Teil der Unternehmenskultur war. Im HR-Bereich ist es besonders schwierig, wenn die aktuelle Team-Struktur keine zusätzlichen Projekte ermöglicht. Doch die digitale Transformation ist kein „One-Hit-Wonder“, sondern eher wie Zähneputzen: Regelmäßigkeit hilft. Der wichtigste Schritt ist der erste. Und auch eine Strategie der kleinen Schritte führt zu einer veränderten Zukunft, in der das Unternehmen in der Lage ist, die neuen Herausforderungen zu meistern.  

Brauchen Sie interne Expertise, um bei Digitalisierungsvorhaben erfolgreich zu sein? Nicht unbedingt – es gibt unzählige Expert:innen, die Sie dabei unterstützen, die ersten Schritte in der digitalen Welt schneller und erfolgreich zu gehen. Dazu gehört das Beraternetzwerk der Management Factory, die Sie gerne durch professionelle und kompetente Interim Manager:innen bei ihren Digitalisierungsprojekten unterstützt. Rufen Sie uns an – wir unterstützen Sie gerne dabei, die nächste Stufe im HR-Management zu erreichen! 

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