Philippe Soullier, Gründer von Valtus, setzt sich für die Agilität von Unternehmen und die Zukunft junger Hochschulabsolvent:innen ein. Er gründete Valtus im Jahr 2001. Zweiundzwanzig Jahre später ist Valtus mit einem Umsatz von 110 Millionen Euro, 120 Mitarbeiter:innen und 37 Partner:innen in sechs Ländern zum European Champion im Executive Interim Management gewachsen. Im November 2023 wurde Philippe von Anne Florin vom französischen Wirtschaftsmagazin „Entreprendre“ interviewt.

Was hat Sie 2001 dazu bewogen, Valtus zu gründen?

Ich habe fünfzehn Jahre lang als Angestellter in Finanzabteilungen großer ausländischer Konzerne gearbeitet, und war an vielen Umstrukturierungen und Reorganisationen beteiligt. Ich bewunderte das Fachwissen der eingesetzten Manager:innen, und es schien mir unbegreiflich, dass ihre Kompetenzen nicht auch für andere Missionen genutzt wurden. Im Jahr 2001, während des Irak-Krieges und einer wirtschaftlichen Rezession, ergab sich die Gelegenheit. Ich beschloss, Valtus zu gründen, und telefonierte tagelang, um Führungskräfte aus der Wirtschaft zu treffen und mit ihnen das neue Konzept zu testen. Der Grundstein war gelegt.

Was ist Executive Interim Management?

Unsere Aufgabe ist es, mittelständischen und großen Unternehmen zu mehr Agilität zu verhelfen und sie bei Transformationen zu unterstützen. Wir sollen sicherzustellen, dass unsere Kunden an der Spitze bleiben und sie bei der Hybridisierung ihrer Fähigkeiten unterstützen. Unternehmen verfügen über eine große Basis an internen Talenten. Wir sind dazu da, externe Talente zur Bewältigung bestimmter Herausforderungen bereitzustellen, die die in den Unternehmen vorhandenen Kompetenzen je nach Bedarf ergänzen oder ersetzen. Der Beruf des Interim Managers / der Interim Managerin begann mit Restrukturierungen und Sanierungen, in erster Linie waren es HR-Funktionen oder Krisenmanager:innen. Heute macht dies nur noch einen sehr kleinen Teil des Berufsstandes aus. Heute werden Interim Manager:innen in digitalen, internationalen und Post Merger Integration-Bereichen gesucht. Für diese Aufgaben müssen immer hochkarätige Manager:innen gefunden werden. Die von uns eingestellten Führungskräfte befinden sich in der zweiten Hälfte ihrer Karriere, sind über 45 Jahre alt und wollen ihrer Reise einen Sinn geben und durch das Erreichen von Zielen Befriedigung erfahren. Wir bieten mit den und für die „Silberhaarigen“ einen Mehrwert, indem wir schnell die richtigen Talente zur richtigen Zeit finden. Statistisch gesehen ist die Hälfte der Einsätze in der Industrie zu finden, gefolgt von Dienstleistungen und Vertrieb. Was die Funktionen betrifft, so entfallen 50 Prozent der Einsätze auf das Duo CEO und CFO, gefolgt von HR, Industrie und Logistik. Die Fälle sind immer unterschiedlich und reichen von der Unterstützung einer Führungskraft, deren Fähigkeiten für eine Aufgabe nicht geeignet sind, bis zur Gründung einer neuen Tochtergesellschaft im Ausland oder der Zusammenführung von Kräften und Strukturen bei einer Fusion. Die durchschnittliche Einsatzdauer beträgt neun Monate.

Ist der Rückgriff auf Interim Manager:innen nicht ein Eingeständnis des Scheiterns der internen Organisation? Ist es ein Problem?

Die Arbeitswelt wandelt sich aufgrund mehrerer bedeutender Trends, wie z. B. „Anders Arbeiten“, also der Wunsch, Freude und Sinn in der eigenen Rolle oder Aufgabe zu finden. Darüber hinaus bedeutet die Unbeständigkeit der Wirtschaft, dass die Unternehmen ihre Umsätze in drei Jahren nicht mehr genau vorhersagen können. Die heutige technologische Welt ist gleichbedeutend mit Komplexität und Schnelligkeit, was Agilität und Flexibilität erfordert. Der Rückgriff auf Interim Manager:innen ist also kein Eingeständnis des Scheiterns, sondern oft die beste Lösung, um auf externe Ressourcen zurückzugreifen. Ich denke, es ist nicht das Eingeständnis eines Scheiterns, sondern vielmehr die bescheidene Anerkennung einer Zukunft, die ständige Anpassungsfähigkeit erfordert. Unternehmen müssen auf außergewöhnliche Situationen reagieren, und die internen Ressourcen sind nicht unerschöpflich. Was die Personalbeschaffung betrifft, so ist Interim Management eine sehr rasche Lösung. Der Einsatz eines Headhunters kann sechs bis neun Monate in Anspruch nehmen, während ein:e Interim Manager:in innerhalb von ein oder zwei Wochen einsatzbereit ist. Der Rückgriff auf Interim Manager:innen ist insbesondere in Arbeitsmärkten und Positionen zielführend, die zu Recht oder zu Unrecht als unattraktiv gelten. Eine:n Interim Manager:in dorthin zu entsenden ist einfach. Bei einigen Stellen ist auch eine teilweise Telearbeit möglich.

Steht Valtus auch vor dem Problem, nicht ausreichend Talente zu finden?

Die Rekrutierung von Executive Interim Manager:innen ist eine Herausforderung. Wir haben Talentzentren in verschiedenen Ländern. Wir müssen auch besser für unseren Beruf werben und ihn erfahrenen Führungskräften erklären. Deren Karrieren sind heute viel abwechslungsreicher als in der Vergangenheit.

Wie sieht das Profil Ihrer Kunden und Wettbewerber aus?

Unsere Kunden sind meist mittelständische Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 50 Millionen und zwei Milliarden Euro. Sie wollen ihr Wachstum beschleunigen, auf eine dringende Situation reagieren oder benötigen aufgrund einer Übernahme eine:n Manager:in mit sehr hohen Qualifikationen. Die Konkurrenten sind zahlreich, aber von relativ bescheidener Größe.

Man denkt oft, die Amerikaner hätten das Interim Management erfunden, weil auch Berufe wie Headhunter, Outplacement-Fachleute, Anwälte und Wirtschaftsprüfer ihren Ursprung in Amerika haben. Das stimmt aber nicht. Der Ursprung es Interim Managements liegt in Europa, in den Niederlanden, dann in England und Frankreich.

Was sind Ihre Pläne?

Wir wachsen weiter mit der festen Absicht, ein weltweit führendes Unternehmen zu werden. Das derzeitige volatile und unsichere Umfeld ist eine Chance für uns.

Und die Valtus-Stiftung?

Vor sieben Jahren war ich schockiert, als ich erfuhr, dass die Arbeitslosenquote für Hochschulabsolvent:innen in Frankreich bei 25 Prozent lag. Was konnten wir tun? Valtus verfügt über Fachwissen über den späteren Teil der Karriere. Wir haben uns entschieden, eine Stiftung zu gründen und einen professionellen Coach einzustellen, um pro Jahr einhundert jungen Hochschulabsolvent:innen zu unterstützen. Wir haben eine Erfolgsquote von 85 Prozent. Diesen jungen Menschen fehlt ein Netzwerk, sie verschicken mühsam Lebensläufe, oft ohne eine Antwort zu erhalten, und ihr Selbstvertrauen schwindet. Wir bieten ein mehrwöchiges Programm vor Ort an. Schon in den ersten zwei Tagen verstehen die Teilnehmer:innen, dass sie nicht mehr allein sind. Im Laufe des Jahres werden sieben bis acht Absolvent:innen mit unterschiedlichem Hintergrund und aus verschiedenen Berufen gefördert. Sie kommen vor allem auf Empfehlung von jungen Beratern des Pôle Emploi zu uns. Die Stiftung Valtus wird die Arbeitslosigkeit nicht lösen. Aber wir schaffen ein positives Ökosystem mit einem Mentor:innensystem aus Interim Manager:innen, Unternehmensmitarbeiter:innen und sogar Kund:innen.