Der Liquiditätsplan ist das Herzstück des Finanzmanagements: Es müssen stets ausreichend Zahlungsmittel zur Verfügung stehen, um alle finanziellen Verpflichtungen fristgerecht erfüllen zu können. Dabei geht es aber nicht nur darum,  Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden: Bei gesunden Unternehmen kann die Optimierung des Cashflows und die Reduzierung der Finanzierungskosten im Vordergrund stehen. Eine rollierenden Liquiditätsplanung kann auch zur aktiven Steuerung des Working Capital Managements genutzt werden.  

In der Liquiditätsplanung gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen: die direkte und die indirekte Methode. Beide Methoden sind praxisrelevant und können auch parallel zur Anwendung kommen. Beispielsweise arbeitet die Management Factory heuer bei einem börsennotierten Klienten mit einer rollierenden direkten 13-Wochen-Liquiditätspanung für die wesentlichen Einzelgesellschaften und einer indirekten 13-Wochen-Liquiditätsplanung für den gesamten Konzern. Unsere beiden verantwortlichen Finance Manager Nino Predota und Kurt Safrata lassen in diesem Artikel ihre Erfahrungen aus diesem konkreten Fallbeispiel einfließen und geben praxisrelevante Tipps für eine sinnvolle Liquiditätsplanung. 

Die direkte Liquiditätsplanung 

Die direkte Liquiditätsplanung basiert auf einer detaillierten Erfassung aller erwarteten Einzahlungen und Auszahlungen. Darüber hinaus werden weitere Positionen erfasst, die Einfluss auf die freien liquiden Mittel eines Unternehmens haben, beispielsweise Veränderungen bei den Finanzierungsrahmen. Dadurch erhält das Unternehmen ein klares Bild über die Liquiditätssituation und kann erforderliche Maßnahmen rechtzeitig setzen. 

Durch die detaillierte Erfassung der Ein- und Auszahlungen kann grundsätzlich eine sehr genaue Prognose der Liquiditätslage über einen bestimmten Zeitraum erstellt werden. In der Praxis bedarf es für eine direkte Liquiditätsplanung einer regelmäßigen Abstimmung mit fast allen Abteilungen eines Unternehmens. Diese intensive Zusammenarbeit ist entscheidend für die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Liquiditätsprognose. Dazu gehören beispielsweise: 

  • Vertrieb: Der Vertrieb liefert Informationen über die erwarteten Kundeneinzahlungen. Bei dem erwähnten Klienten der Management Factory führten wir im Zuge der Arbeiten für die Liquiditätsplanung auch gleich ein aktives Forderungsmanagement ein, um überfällige Forderungen zu reduzieren und Kundenzahlungen zu beschleunigen. 
  • Einkauf: Der Einkauf gibt Auskunft über die geplanten Auszahlungen für Lagerbestände und andere Beschaffungskosten. Dies umfasst die Zahlungsziele für Lieferantenrechnungen und geplante Bestellungen. Wie die Praxis zeigt, können dadurch auch Ineffizienzen im Bestellvorgang identifiziert und korrigiert werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Einkaufsvolumina zu hoch geplant werden, obwohl noch ausreichend Lagerbestände vorhanden sind. 
  • Treasury: Das Treasury Team ist für die Verwaltung der Finanzmittel verantwortlich und informiert über bevorstehende Zinszahlungen, Tilgungen von Darlehen und andere finanzielle Verpflichtungen. In unserem Fallbeispiel gibt es beispielsweise einen Kredit, für den externe Forderungen gegenüber Kunden als Sicherheit dienen. Um diesen Kredit entsprechend in die Liquiditätsplanung aufzunehmen, müssen zukünftige Fakturierungen simuliert werden, wofür es sowohl Informationen vom Vertrieb als auch von der Produktion braucht. 
  • Tochtergesellschaften: Alle Tochtergesellschaften müssen bezüglich erwarteter Dividendenzahlungen und Gesellschafterdarlehenszahlungen konsultiert werden. Diese Informationen sind wichtig, um interne Zahlungsflüsse und deren Auswirkungen auf die Liquidität zu planen. 
  • Personalabteilung: Informationen zur Höhe und zur Fälligkeit der Lohn- und Gehaltszahlungen sowie der Sozialabgaben sind essenziell für eine präzise Liquiditätsplanung. 

Das vorhandene ERP-System dient meist als Grundstein für die Planung der Einzahlungen von Kunden sowie der Auszahlungen an die Lieferanten. Am Beispiel der Auszahlungen an Lieferanten werden auf Basis der erfassten Bestellungen, des zugrunde liegenden Lieferdatums und der Zahlungsziele die geplanten Zahlungen an die Kreditoren ermittelt. Diese geplanten Zahlungen laut ERP-System werden anschließend mit der Buchhaltung und den Zahllauflisten abgeglichen, insbesondere für die nächsten vier Wochen. Eine weitere Abstimmung findet im Anschluss mit der Treasury-Abteilung statt, um sicherzustellen, dass die geplanten Zahlungen laut System mit den tatsächlichen zukünftigen Zahlungen übereinstimmen.

Beispiel für einen direkten Liquiditätsplan (13 Wochen)

Wie anhand des Fallbeispiels deutlich wird, ist die Erstellung einer direkten Liquiditätsplanung zeitaufwändig. Sie erfordert umfangreiche Datenpflege und laufende Kommunikation mit zahlreichen Abteilungen im Unternehmen. Um den Aufwand zu minimieren, führte die Management Factory bei dem erwähnten Klienten standardisierte Prozesse und Templates ein. Dadurch stieg bereits nach einigen Wochen die Genauigkeit der Planung, und der nötige Zeitaufwand konnte reduziert werden. 

Anzumerken ist, dass die Management Factory Planungsinstrumente immer bottom-up neu baut. Dies ist zielführend, weil die Input-Daten von Kundenseite immer unterschiedlich aussehen und weil die Geschäftslogik individuell ist, was die Relevanz einzelner Positionen beeinflusst. Im konkreten Fall war das Format bzw. Template, das wir nutzten, von den finanzierenden Banken vorgegeben (s.o.), und wir bauten die dahinterliegenden Detailkalkulationen und Hilfsblätter auf. 

Bei der direkten Liquiditätsplanung ist zumeist ein Planungshorizont von 13 Wochen erwünscht. Dieser Zeitraum von drei Monaten bzw. einem Quartal hat sich als gängige Praxis etabliert, da so rechtzeitig Risken erkannt werden können und noch ausreichend Zeit für korrigierende Maßnahmen bleibt. Wir bei der Management Factory bauen entsprechende Tools meist mit einem längeren Planungshorizont und benchmarken die Planung dann stets mit dem bestehenden Budget, um so die Planung zu plausibilisieren und etwaige Planabweichungen rechtzeitig identifizieren zu können.

Anfangs ist die direkte Liquiditätsplanung zumeist recht ungenau. Durch die wöchentlichen Soll-Ist-Vergleiche, das laufende Tracking und die Verbesserungen des Planungsprozesses wird sie aber Schritt für Schritt exakter. Im konkreten Fallbeispiel gibt es nach wie vor vereinzelt Ausreißer, allerdings in den letzten Wochen glücklicherweise ins Positive, da mehr Kundeneinzahlungen erfolgten als erwartet. 

Im Zuge der Soll-Ist-Vergleiche entdeckten wir in unserem Fallbeispiel anfangs massive Abweichungen bei den Auszahlungen an Lieferanten, das heißt die Auszahlungen waren deutlich höher als geplant. Ursprünglich lag der Verdacht auf Maverick Buying, also auf unkontrollierten Einkauf unter Umgehung der offiziellen Beschaffungsprozesse. Durch Gespräche mit dem Management und den verantwortlichen Beschäftigten stellte sich allerdings heraus, dass im System nicht berücksichtigte überfällige Rechnungen schlummerten. Diese Rechnungen waren bereits verbucht, das Zahlungsziel lag in der Vergangenheit, und sie waren von den zuständigen Mitarbeiter:innen noch nicht freigegeben worden, beispielsweise weil Reklamationen vorlagen. Das Problem war, dass nach Freigabe dieser überfälligen Rechnungen diese Rechnungen unmittelbar in den Zahllauf „rutschten“. Bei der Planung auf Basis des ERP-Systems wurden diese Zahlungen mit Zahlungsdatum in der Vergangenheit aber nicht mehr erfasst. Durch die Einführung zusätzlicher Abstimmungsroutinen mit Buchhaltung und Treasury konnten wir diese Ausreißer identifizieren und entsprechend berücksichtigen. 

Tipp

  1. Kritische Überprüfung der Systemdaten: Hinterfragen Sie stets die Daten aus den Systemen und führen Sie Abweichungsanalysen durch, um Schwachstellen in den Stammdaten sowie in den Unternehmensprozessen zu identifizieren. 
  1. Rollierende Liquiditätsplanung aktiv nutzen: Eine rollierende Liquiditätsplanung sollte nicht nur als Reporting-Tool dienen, sondern aktiv zur Steuerung des Unternehmens eingesetzt werden. 
  1. Mitarbeiter:innen und Manager:innen einbeziehen: Machen Sie den involvierten Beschäftigten und Führungskräften klar, wie wichtig die Liquiditätsplanung für die aktive Steuerung des Unternehmens ist. 

Die indirekte Liquiditätsplanung 

Die indirekte Methode basiert im Wesentlichen auf der klassischen Berechnung des Cashflows aus der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung und der Plan-Bilanz. Es dabei zu belassen, wäre aber deutlich zu kurz gegriffen. Für eine aussagekräftige 13-Wochen-Planung muss rollierend gearbeitet werden.  

Vorteilhaft bei der indirekten Methode sind Effizienz und Geschwindigkeit. Im Falle einer hohen Anzahl an Gesellschaften und (Intercompany-) Transaktionen ist die indirekte Liquiditätsplanung der direkten überlegen. Bei Konzernen mit vielen Gesellschaften ist eine direkte Planung oft gar nicht möglich. Allerdings verzichtet die indirekten Planung auf ein gewisses Maß an Detailgenauigkeit. 

Beispiel für einen indirekten Liquiditätsplan (13 Wochen) 

Beim indirekten Ansatz im Konzern ergeben sich aber mehrere essenzielle Fragen: Sollen die Finanzahlen bei jedem „Nach-Vorne Rollieren“ bottom-up neu geplant werden? Sollen sämtliche Konzern-Gesellschaften monatlich eine neue Planung vorlegen? Oder nur ein Teil der Gesellschaften und der „Rest“ wird top-down ergänzt?  

Aus der an sich „einfachen“ Cashflow-Rechnung ergibt sich rasch eine komplexe Problemstellung. Somit verursacht auch diese Vorgehensweise bei Organisationen, in denen häufige Planungszyklen nicht üblich sind, ein erheblicher Mehraufwand.  

Da es weder praktikabel noch zeitlich realistisch umsetzbar ist, jede Gesellschaft laufend neu zu planen und zu einem Konzern zu konsolidieren, ist ein laufendes Aktualisieren der integrierten Finanzplanung somit keine Option. Ein ausgewogener hybrider Ansatz kann hier aber Abhilfe schaffen. Im erwähnten Fallbeispiel wurde eine bestehende Planung auf Monatsebene als Basis herangezogen. Darauf aufbauend berücksichtigten wir dann relevante Abweichungen zu den ursprünglichen Planungen der Einzelgesellschaften für die Konzernplanung.  

Zunächst sind also die Gesellschaften auszuwählen, welche ergebnisseitig und bilanziell einen relevanten Einfluss auf die Gesamtentwicklung des Konzerns haben. Wir entschieden uns dafür, nur bei wenigen größeren Gesellschaften die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Trade Working Capital-Positionen regelmäßig abzufragen und zu aktualisieren. Bei anderen Gesellschaften wurden nur die Trade Working Capital Positionen eingeholt, und die restliche Bilanz wurde (eben mit Ausnahme der Trade Working Capital Positionen) aus Gründen der Einfachheit mithilfe der Ist-Werte des Aufsatzpunktes ermittelt. Auf Konzernebene bilanziell relevante Ereignisse wie etwa größere Investitionen wurden im Betrachtungszeitraum zusätzlich eingeplant. Entsprechende Konsolidierungseffekte mussten ebenfalls berücksichtigt werden. 

Nach diesen Abfragen fügten wir diese Bestandteile zu einem großen Ganzen zusammen. Dann galt es, das Gesamtbild zu analysieren oder gegebenenfalls weitere top down-Anpassungen vorzunehmen. Gerade hier ist konzerninternes Wissen und ein „Gespür für die Zahlen“ unerlässlich, um ein plausibles Bild zu erhalten.  

Nach dem Zusammensetzen der durch die Gesellschaften gemeldeten Zahlen kam bei der ersten indirekten Liquiditätsplanung bei unserem Klienten leider ein völlig unrealistisches Ergebnis heraus. Wir mussten daher starke top down-Korrekturen vornehmen. Ein stimmiges Bild entstand erst, nachdem wir uns entschieden hatten, neben den für die GuV relevanten Gesellschaften auch eine zweistellige Anzahl an Gesellschaften auf Working Capital Ebene mitabzufragen und zu berücksichtigen. Dadurch bedurfte es nur noch geringer top down-Anpassungen in der indirekten Planung. 

Grundsätzlich gilt: Je öfter der Planungszyklus vollzogen wird, desto besser werden die Ergebnisse. Wenn es in Gesellschaften sorgfältige Planungsprozesse gibt und der/die Finanzleiter:in oder CFO ein „gutes Gespür den Konzern“ hat, bewegen sich die Abweichungen des gesamten Cashflows erfahrungsgemäß zwischen 5 und 10 Prozent.   

Der indirekte Ansatz kann übrigens auch verwendet werden, um eine vorhandene direkte Liquiditätsplanung zu plausibilisieren.  

Wie bei der direkten Methode erstellt die Management Factory auch die indirekte Liquiditätsplanung in jedem Unternehmen bottom up neu. Die Planung ist somit immer auf das Business Plan-Modell des jeweiligen Unternehmens abgestimmt und berücksichtigt auch kundenspezifischen Sonderfälle. Ein Anlagenbauer funktioniert einfach ganz anders als ein Großhandelsunternehmen und muss daher auch bei der Liquidität anders geplant werden. 

Tipp

  1. Die „So viele wie nötig, so wenige wie möglich“ – Regel gilt, wenn es um die Auswahl der abzufragenden Gesellschaften in Konzernen geht.  
  1. Scheuen Sie sich nicht, top down-Anpassungen vorzunehmen, um zu plausiblen Ergebnissen zu kommen. Nicht immer ergibt die Summe der von Einzelgesellschaften gemeldeten Werte ein großes und plausibles Ganzes. 
  1. Bleiben Sie flexibel! Wenn sich mit der gewählten Methodik bei den Soll-Ist-Vergleichen wiederholt größere Abweichung einstellen, dann müssen Sie die Ursachen ergründet und das Planungsmodell anpassen. 

Fazit:

Beide Methoden der Liquiditätsplanung haben ihre spezifischen Vorteile und Anwendungsbereiche. Die direkte Liquiditätsplanung bietet eine detaillierte und genaue Übersicht über die kurzfristige Liquiditätssituation. Sie ist aber auch aufwändiger und erfordert kontinuierliche Datenpflege. Die indirekte Liquiditätsplanung ermöglicht eine langfristige und strategische Sichtweise, bietet jedoch weniger Genauigkeit für die kurzfristige Liquiditätssteuerung. Unternehmen sollten je nach ihren spezifischen Bedürfnissen und Ressourcen eine geeignete Methode oder eine Kombination beider Ansätze wählen, um möglichst akkurat die Liquidität zu planen.  

Bei insolvenzgefährdeten Unternehmen haben beide Methoden ihre Berechtigung: Für die Fortbestehensprognosen und ein Sanierungsgutachten nach IDW S6 braucht es die indirekte Methode, da ein Planungshorizont von zumindest 24 Monaten verlangt wird. Im Gegensatz dazu ist die direkte Methode grundsätzlich besser geeignet, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit in den nächsten 13-Wochen festzustellen, und um damit zusammenhängende Haftungsrisiken der Organträger zu minimieren. Wie bereits erwähnt, ist die direkte Methode bei Konzernen mit vielen Einzelgesellschaften allerdings aufgrund der Größe und Komplexität oft nicht umsetzbar. 

Abschließend sei noch einmal erwähnt, dass durch die Implementierung standardisierter Prozesse und  Templates bei beiden Methoden der Aufwand minimiert und die Planungsgenauigkeit maximiert werden kann. Zudem stellt eine rollierende Liquiditätsplanung ein wertvolles Tool für ein aktives Working Capital Management dar. Je höher die Saisonalität bei einem Unternehmen ausgeprägt ist und je relevanter das Projektgeschäft ist (z.B. bei einem Anlagenbauer), desto wichtiger ist eine belastbare Cash-Planung. 

Sie sind mit der Liquiditätsplanung in Ihrem Unternehmen nicht zufrieden oder wollen eine bestehende Liquiditätsplanung optimieren? Wir unterstützen Sie gerne beratend oder mit einem/einer Interim Manager:in.