In Krisenzeiten stehen Zulieferer von potenten OEMs (Original Equipment Manufacturers) und marktbeherrschenden Kunden vor besonderen Herausforderungen. Häufig sinkt nicht nur die eigene Profitabilität, sondern auch die der Kunden. Die Marktentwicklung ist schwer prognostizierbar, und die Nachfrage schwankt. Zusätzlich steigen die Rohstoffpreise, und die eigene Produktivität sinkt aufgrund reduzierter Auslastung. Die Beziehungen zu den wichtigsten Kunden sind mitunter bereits angespannt.
Um in dieser Situation erfolgreich zu verhandeln, sind die richtigen Strategien und Ansätze entscheidend. Michael Geier-Wieser von der Management Factory hat in diesem Artikel auf Basis zahlreicher Projekte Empfehlungen erarbeitet. Diese sollen helfen, effektive Verhandlungen mit Kunden vorzubereiten und zu führen. Unsere Erfahrungen stammen unter anderem aus Projekten und Mandaten bei Automobilzulieferern, Weißwarenherstellern und Möbelproduzenten.
Wir wollen in diesem Artikel nicht über Verhandlungstechniken schreiben, sondern konkrete Vorbereitungsschritte erläutern und triftige Argumente liefern, die zu einem Perspektivenwechsel beim Gegenüber führen können und am Ende dazu beitragen, dass Sie als Zulieferer relevante Preiserhöhungen durchsetzen können.
Ausgangssituation: Der Zulieferer steht mit dem Rücken zur Wand
Die Situation stellt sich in der Regel so dar: Ein Überleben oder eine Fortführung des Unternehmens mit der aktuellen Erlös- und Kostenstruktur ist nicht mehr möglich, es werden Verluste generiert und auch der Cashflow ist negativ. Diese Tatsachen werden in einer integrierten Unternehmensplanung dokumentiert (GuV, Bilanz und Cashflow-Rechnung), die nicht nur die Vergangenheit, sondern auch ein oder mehrere plausible Zukunftsszenarien abbildet.
Da in der Krise bekanntermaßen alle einen Beitrag leisten müssen, werden die Beiträge der Stakeholder (Gesellschafter, Banken, Beschäftigte, Lieferanten und Kunden) eingeplant, um einen Turnaround darstellen zu können. In diesem Artikel wollen wir vorwiegend über Kundenbeiträge sprechen. Interessanterweise wird in den meisten Sanierungen ein großer Bogen um die „heilige Kuh“ Kunden gemacht. Nur sehr selten und wenn es sonst gar nicht mehr anders geht, fordern Zulieferer in der Krise aktiv einen Kundenbeitrag ein. Und noch seltener gehen sie dann gut vorbereitet in die Verhandlungen.
Die Kundenperspektive verstehen
Wichtig ist zu verstehen, wie abhängig der Kunde von seinem Lieferanten ist:
- Kann das Produkt leicht substituiert werden?
- Gibt es mehrere Lieferanten?
- Können andere Lieferanten ohne Verzug die potenziell fehlende Menge ausgleichen?
- Wie viel R&D-Kompetenz steckt im Produkt?
- Wer hält die IP-Rechte?
Darüber hinaus muss man sich als Zulieferer die Frage stellen, ob der Kunde langfristig benötigt wird und weiterhin beliefert werden soll, oder ob eventuell genau das Gegenteil der Fall ist. Wenn der Wunsch besteht, ein Geschäftsfeld bzw. einen Kunden ohnehin loszuwerden, dann ist eine aggressive Preiserhöhung zwar nicht nachhaltig, weil der Kunde voraussichtlich switchen wird, aber sie bringt kurzfristig viel Geld in die Kasse des Unternehmens.
Es ist nicht immer leicht festzustellen, wie abhängig ein Kunde tatsächlich von einem Zulieferer ist und auch erfahrene und langjährige Vertriebsmitarbeiter können hier oft nur spekulieren. Folgendes Beispiel, bei dem die Management Factory den Interim CEO stellte, illustriert dies anschaulich.
Ein krisengebeutelter Zulieferer im Bereich Weißware informierte – nach vielen ergebnislosen Gesprächen und einer guten internen Vorbereitung –einen relevanten und renommierten OEM-Kunden, dass eine ganze Produktionslinie eingestellt werden müsse. Die Produkte könnten mangels Kostendeckung somit nicht mehr produziert werden. Praktischerweise und nicht zufällig war der nächste vertragliche Kündigungstermin genau zwei Tage nach der Ankündigung. Sollte es eine einvernehmliche und außerplanmäßige Preiserhöhung geben, werde der Liefervertrag aber gerne aufrechterhalten und nicht gekündigt.
Der Kunde blieb bei seiner Argumentationslinie: Das Produkt werde nicht dringend benötigt, es gebe in Asien genug billigere alternative Lieferanten, und er werde die Kündigung gegebenenfalls zur Kenntnis nehmen. Der Lieferant kündigte am nächsten Tag fristgerecht.
Wie erwartet musste der Kunde dann nach der Kündigung eingestehen, dass er das Produkt sehr wohl sehr dringend benötigte. Eine kurzfristige Substitution des Lieferanten durch asiatische Anbieter war gar nicht möglich, weil es sich bei dem Produkt um einen wichtigen, nicht einfach substituierbaren Teil an hochvolumigen Spezialprodukten handelte. Der Zulieferer in der Krise verdoppelte die Preise und erhöhte seine Marge für ein ganzes Jahr um einige Millionen Euro.
Der Kunde hatte nicht damit gerechnet, dass der Lieferant die Kündigung tatsächlich durchzieht. Hätte der OEM in den vorangegangenen Verhandlungen einer deutlich moderateren Preiserhöhung zugestimmt, wäre es sicher günstiger gewesen. So aber hat er die Abhängigkeit entweder selbst falsch eingeschätzt oder aber zu hoch gepokert.
Meist ist der Vertrieb in den Vorgesprächen sehr pessimistisch, wenn es darum geht, eine Einschätzung abzugeben, ob und in welchem Ausmaß Preiserhöhungen oder Kundenzugeständnisse möglich sind. Der Vertrieb agiert hier oft als „bester Freund“ und Sprachrohr des Kunden. Unsere Erfahrung nach sind Kunden – wenn auch zähneknirschend – allerdings sehr wohl bereit zu helfen, wenn es eine gute und langjährige Beziehung gibt, wenn es sich um ein qualitativ hochwertiges Produkt handelt und wenn eine gewisse Abhängigkeit vom Zulieferer besteht.
Datenqualität sicherstellen, Transparenz erhöhen
und Open Books anbieten
Eine mehrjährige, gut dokumentierte Planungsrechnung unter Einarbeitung der Maßnahmen (Gesellschaft, Eigentümer, Stakeholder) und eine verlässliche Kostenrechnung sind unerlässlich, um auf Augenhöhe in Gespräche einzutauchen.
Als vertrauensbildende Maßnahme hat es sich bei Mandaten der Management Factory bewährt, den potenziell beitragsstiftenden Kunden dokumentierte Planungsrechnungen inklusive Anforderungen für einen Going Concern zur Verfügung zu stellen, und dabei auch die Beiträge der anderen Stakeholder hervorzuheben.
Bei der Erstellung eines solchen Berichts sind kartellrechtliche Belange zu berücksichtigen, vor allem dann, wenn mit mehreren Kunden gleichzeitig gesprochen wird. Die Daten anderer Kunden, Lieferanten oder sonstiger Dritter sind in jedem Fall zu anonymisieren. Teilweise empfiehlt es sich hier, Daten zu aggregieren, damit keine Rückschlüsse auf andere Dritte möglich sind. Des Weiteren hat die Management Factory die Erfahrung gemacht, dass Einkaufsabteilungen des Kunden zumindest stichprobenartig Kalkulationen sichten wollen, um zu verstehen, wo und warum die geringen bzw. negativen Deckungsbeiträge entstehen.
So kann sichergestellt werden, dass die Angaben des Zulieferers bezüglich der Verlustprodukte nachvollziehbar und plausibel sind.
Neben der Automobilindustrie ist es z.B. auch im Möbelhandel und im LEH nicht unüblich, als Lieferant in der Krise seine eigenen Kalkulationen offenzulegen. Hierfür sollte eine konsistente Kostenrechnung vorhanden sein, um die notwendigen Nachweise erbringen zu können. Oft hängt die Krise auch mit deutlich geringeren als vom Kunden zugesagten Abnahmemengen zusammen, das heißt die ursprüngliche Kalkulation hält dann natürlich nicht mehr.
Ein Beispiel, wie schlecht vorbereitete Preisverhandlungen zu einer Lose-Lose-Situation für den Lieferanten und den Kunden führen können, lieferte vor einigen Jahren ein Unternehmen im Bereich der Antriebstechnologie.
Über Wochen versuchten Management und Vertrieb, signifikante Preiserhöhungen bei den beiden Hauptkunden mit langfristigen Lieferverträgen ohne ausreichende Inflations-Klausel durchzusetzen. Diese Erhöhungen waren dringend notwendig und nicht einem opportunistischen Profitstreben zuzuschreiben, befand sich das Unternehmen doch bereits in einer veritablen Liquiditätskrise. Lieferketten-Probleme und Energiepreis-Steigerungen hatten zu signifikanten Preissteigerungen im Einkauf geführt, und zu viel zu niedrigen Deckungsbeiträgen bei zahlreichen Produkten. Die mit 2,0 Prozent p.a. gedeckelte Inflationsklausel reichte bei weitem nicht aus. Das Management suchte also das Gespräch mit den beiden Großkunden, um Anpassungen vorzunehmen. Doch dem Verhandlungsteam gelang es nicht, die bedrohliche Situation glaubwürdig darzustellen und plausibel zu belegen – das Unternehmen hatte seine „Hausaufgaben“ nicht gemacht. Der Einkäufer des Kunden lehnten die geforderten Preiserhöhungen daher ab. Was folgte, war die Insolvenz des Zulieferers. Die beiden Großkunden waren davon völlig überrascht und dementsprechend waren sie nicht vorbereitet.
Die Produkte des insolventen Lieferanten waren hoch spezialisiert und vor allem aufwändig zertifiziert. Selbst wenn rasch ein neuer Zulieferer gefunden werden könnte, er müsste einen kostspieligen und ein Jahr lang dauernden Zertifizierungsprozess durchlaufen. Die beiden Großkunden waren somit gezwungen, mit der Insolvenzverwalterin über die Weiterführung des zuliefernden Betriebs zu verhandeln. Schlussendlich mussten die Kunden nicht nur signifikanten Preiserhöhungen zustimmen (die Masseverwalterin konnte ja alle Verträge kündigen), sondern auch Kosten in Millionenhöhe für die verlustreiche Fortführung des insolventen Lieferanten tragen und währenddessen auch die schlussendlich erfolgreiche Käufersuche finanzieren.
Fazit: Wenn signifikante Preiserhöhungen benötigt werden, so müssen die Verhandlungen lieferantenseitig strukturiert und sauber vorbereitet werden, um die Glaubwürdigkeit zu bewahren. Kundenseitig muss der Einkauf achtsam sein, um dem eigenen Unternehmen nicht durch Fehleinschätzungen größeren Schaden zuzufügen. Eine fundierte und unparteiische Drittmeinung durch einen kompetenten Berater kann Glaubwürdigkeit schaffen und auf beiden Seiten (Zulieferer und Kunde) falsche Entscheidungen vermeiden.
Vorsicht ist bei Gesprächen mit Kunden aus anderen Kulturkreisen angebracht (z.B. aus China oder Japan). Dort existiert eine gewisse Zurückhaltung, Informationen preiszugeben, und eine Neigung, eher indirekt zu kommunizieren als direkt auf ein Problem hinzuweisen. Was im Kontext einer westlichen direkten Kommunikationskultur gutgemeint ist, als transparent gilt und als vertrauensbildende Maßnahme dienen soll, könnte in China oder Japan als unklug, unhöflich oder sogar als unangemessener Druck angesehen werden. Zu viel Offenheit wird mitunter als Zeichen von Schwäche oder gar Dummheit interpretiert.
Den gewünschten Beitrag des Kunden genau quantifizieren und einen konkreten Vorschlag machen
Die Planungsrechnung oder die Produktkalkulation zeigt, wie hoch die Preiserhöhung ausfallen muss, um ein Zielergebnis erreichen zu können. Doch was ist eine angemessene Preiserhöhung?
- Soll nur das gefordert werden, was benötigt wird, um einen ausgeglichenen Cashflow zu erreichen?
- Oder gerade so viel, dass sich ein ausgeglichenes Ergebnis ausgeht?
- Oder soll eine kleine Ergebnismarge gefordert werden – oder vielleicht gleich deutlich mehr?
Nach ökonomischer Theorie muss es das Ziel sein, langfristig die eigenen Gesamt-Kapitalkosten, also die weighted average cost of capital (WACC) zu verdienen, um eine marktkonforme Verzinsung des eingesetzten Kapitals (= Invested Capital) sicherzustellen. Das heißt, der Return on Invested Capital (ROIC) sollte im Wesentlichen dem WACC entsprechen. Mit dieser Gleichung sollte sichergestellt sein, dass Fremd- und Eigenkapitalgeber auch weiterhin bereit sein werden, Finanzierungen respektive Kapital im erforderlichen Ausmaß zur Verfügung zu stellen. Dies ist nötig, um einen letalen Kapitalentzug zu verhindern, beispielsweise durch Fälligstellungen oder mangelnde Refinanzierungsfähigkeit1. Die Daten für die WACC-Ermittlung nehmen wir von börsennotierten Peers. Auch viele andere Parameter und KPIs unseres Kunden können im Rahmen einer Benchmarking-Analyse hinterfragt und in einen weiteren Kontext gesetzt werden (Wachstum, EBITDA-, EBIT-Margen etc.). Oft muss die Peer Group nicht aufwändig ermittelt werden, weil sie dem Unternehmen ohnehin bestens bekannt ist, zum Beispiel dann, wenn das Unternehmen jährliche Impairment-Tests durchführen muss.
Ist die geforderte Rendite (=WACC) fixiert, dann kann über eine einfache Schlussrechnung der Gesamtbetrag der Preiserhöhungen (= Umsatzerhöhung) berechnet werden. Komplexer ist es allerdings, diesen Betrag dann auf Produkte, Kunden und Märkte zu verteilen – auch weil Planmengen nach wie vor Planmengen sind. Aus Abrufzahlen oder Produktmix-Verschiebungen beim Kunden kann es im IST immer zu entsprechenden (und oft auch materiellen) Abweichungen kommen.
Es überrascht nicht, dass die Forderungen des Zulieferers auf Basis einer marktkonformen WACC-Verzinsung beim Kunden nicht immer zu 100 Prozent durchsetzbar sind. Es muss aber klar sein, dass eine nachhaltige Sanierung nur gelingen kann, wenn die Preiserhöhungen sich zumindest in der Nähe des Zielwertes befinden. Anzumerken ist, dass natürlich auch der Lieferant in der Krise seinen Beitrag leisten muss, indem im Sanierungskonzept Einspar- und Optimierungspotenziale definiert sind. Diese müssen wie die Preiserhöhungen im Businessplan eingepreist werden.
Unsere Empfehlung ist, immer das gesamte Delta in Euro darzustellen und dann aufzugliedern, wer wie viel zu einer Lösung beitragen muss, also zum Beispiel Optimierungen und Cost Cutting x Euro, Eigentümer y Euro, Lieferanten z Euro, Kunden xyz Euro.
Das Risk Management des Kunden aktiv miteinbeziehen
In der Regel werden Preiserhöhungen, Mengen oder sonstige Konditionsänderungen mit dem Einkauf des Kunden verhandelt. Wenn es beim Kunden allerdings eine Risiko-Management-Abteilung gibt („Supplier Risk Management“, „Intensive Care“ oder ähnlich), dann ist es sinnvoll, den Kontakt dorthin zu suchen. Beispielsweise haben die meisten großen Automobilproduzenten derartige Einheiten, die auf die Betreuung von notleidenden Zulieferern spezialisiert sind. Die Beschäftigten in solchen Risiko-Management-Abteilungen sind meist Vollprofis. Sie kennen Restrukturierungssituationen und -prozesse, waren oft selbst in der Restrukturierungsberatung tätig und haben meist nur die „Seite gewechselt“. Somit können diese Expertinnen und Experten die Risiken eines schwer kontrollierbaren Prozesses (Insolvenz, Sanierungsverfahren, Konkurs) gut einschätzen und verstehen die Auswirkungen auf die eigene Lieferkette.
In den Risiko-Management-Abteilungen gibt es oft Sonderbudgets, rascheren Zugang zu Entscheidungsträgern und mehr Befugnisse. So können kurzfristig liquiditätsstützende Maßnahmen genehmigt werden, um mehr Zeit für eine Lösung zu gewinnen (z.B. Reduktion des Zahlungsziels auf null Tage). Wenn das Interesse an einer konstruktiven Lösung in der Risiko-Management-Abteilungen gering ist, dann ist die Kundenperspektive zumindest klar, und der Zulieferer kann an anderen Alternativen arbeiten.
Wie erwähnt, können kurzfristige Überbrückungsmaßnahmen (z.B. Liquiditätsstützen) in der Regel binnen Stunden, maximal Tagen, von Risk Management Abteilungen gewährt werden. Allerdings wird als Basis für die weitere Verhandlungsführung erfahrungsgemäß eine Drittmeinung eingefordert, eine sogenannte „Independent Business Review“ oder ein ähnliches Gutachten. Dies dient dazu, tiefer in die Gespräche über weitere Maßnahmen einzusteigen.
Transparenz ist den OEMs in diesen Situationen besonders wichtig. Es muss nachvollziehbar und dokumentiert sein, dass mit den Unterstützungsmaßnahmen der Lieferant nachhaltig überlebensfähig ist und in die Gewinnzone zurückkehrt. Kein Kunde will einen Dauerpatienten mit chronischen Leiden, welcher laufend „behandelt“ werden muss.
Die Kundengespräche und Verhandlungen aktiv managen
1) Teamzusammensetzung und Probelauf
Stellen Sie ein Team aus guten Verhandler:innen und Persönlichkeiten zusammen, die der Kunde kennt und denen er vertraut. Um die Dringlichkeit und die Bedeutung der Verhandlungen zu erhöhen, kann auch der bzw. die Geschäftsführerin im Verhandlungsteam dabei sein.
Nichts geht auch hier über einen Probelauf. Im Idealfall kann sich das Team bei einem nicht kriegsentscheidenden C-Kunden einspielen. Auch die Rolle des sogenannten „Schattenverhandlers“ hat sich bewährt: Ein:e Manager:in oder ein Berater:in bleibt im Hintergrund und nimmt nicht direkt an den Verhandlungen teil. Stattdessen coacht er bzw. sie vor und nach den Terminen das Verhandlungsteam um sicherzustellen, dass zumindest die Minimalziele erreicht werden.
2) Zentrales Argument: Sämtliche Stakeholder müssen Beiträge leisten (Banken, Gesellschafter, Gesellschaft, Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden)
Banken: Die Finanzierungspartner haben aufgrund regulatorischer Vorgaben oft den geringsten Spielraum für zusätzliche Beiträge. Nachrangigstellung bestehender Finanzierungen und Verzichte (mit Besserungsvereinbarung) können mitunter verhandelt werden, um das Bilanzbild zu verbessern (Eigenkapitalquote). In manchen Fällen ist eine temporäre Tilgungs- oder Zinsaussetzung möglich, manchmal auch beides. Neufinanzierungen mit anderen Finanzierungspartner sind in der Regel nur möglich, wenn es freie und anfechtungsfeste Sicherheiten gibt.
Andere Stakeholder: Beiträge können auch eingefordert werden von Gesellschaftern (Nachrangigstellung oder Verzicht bestehender Finanzierungen, Zinsverzicht, frisches Kapital etc.) und der Gesellschaft selbst (Einsparungsmaßnahmen, zusätzliches Potential etc.), sowie von den Beschäftigten (temporäre Gehaltsreduktionen, Zustimmung zu einem Sozialplan etc.) und den Lieferanten (z.B. bessere Konditionen wie Zahlungszielverlängerungen).
Wichtig ist, dass sämtliche Beiträge erst nach einer Einigung mit allen Stakeholdern geleistet werden. Unseren Erfahrungen zufolge sind vor Verhandlungsstart geleistete Eigentümerbeiträge gut gemeint, sie werden aber oft gar nicht oder nur sehr widerwillig angerechnet. Hier gilt das Motto: „Für die Vergangenheit bezahlt der Kaufmann nichts“. Das betrifft auch Beiträge von Gesellschaftern, die aufgrund von Liquiditätsengpässen rasch geleistet wurden.
3) Zugkräftiges Zusatzargument: Wirtschaftsprüfung und Testat
Nichts ist lähmender als Verhandlungen, die sich über Monate hinziehen. Das Hinauszögern als Verhandlungstaktik muss von Anfang an unterbunden werden, indem ein klarer Zeitplan kommuniziert wird, der definiert, was bis wann vorliegen muss. So kann man als Zulieferer den Druck hochhalten und rasch eine für alle Stakeholder tragfähige Lösung herbeiführen.
Sollten sich Verhandlungen in die Länge ziehen und keine Einigung in Sicht sein, bedeutet das für die Gesellschaft, dass der Fortbestand nicht abgesichert ist und somit auch der Wirtschaftsprüfer den Going Concern nicht testieren kann. Die Gefahr eines nicht fristgerecht ausgestellten Testats kann ein gutes Druckmittel im Verhandlungsprozess sein. Das jährliche Testat ist ja auch Finanzierungsvoraussetzung für die Banken. Eine verzögerte Vorlage des testierten Jahresabschlusses bei der Bank kann zu einer sofortigen Fälligstellung führen. Nicht termingerecht eingereichte Jahresabschlüsse können ferner auch Ratingverschlechterungen und eine Streichung von Versicherungslimits der Kreditversicherer verursachen. Aufgrund des Vertrauensverlustes von Dritten kann das Fehlen eines Testats zu einer nicht kontrollierten und raschen Abwärtsspirale führen und dann letztendlich zu einem Insolvenz- oder Konkursantrag, der unkontrollierbare Folgen für die Kunden nach sich zieht. Der Hinweis auf das Testat und die Frist dafür kann Schwung und neue Motivation in die Verhandlung bringen.
4) Saubere Dokumentation und freundliche Hartnäckigkeit
Nach jedem Gespräch sollten die wichtigsten Argumente und erste Verhandlungsergebnisse in Protokollen verschriftlicht werden. Wichtig ist auch, etwaige Aufgaben – zum Beispiel nachzureichende Informationen oder Daten – zu dokumentieren und der verantwortlichen Person mit Termin zuzuweisen. Dieses Protokoll sollte an alle Teilnehmer:innen mit der Bitte um Feedback versendet werden, um Missverständnisse auszuräumen. Am Ende von Verhandlungsrunden sollte ein Folgetermin vereinbart werden, und das so lange, bis eine Lösung gefunden ist. Neben einer strukturierten Verhandlungsführung sind es Eigenschaften wie Hartnäckigkeit und eine konsequente Zielverfolgung, die letztendlich zu positiven Ergebnissen führen.
5) Plan B ins Spiel bringen
In stockenden Verhandlungssituationen kann es sinnvoll sein, eine Insolvenz oder einen Konkurs als „Plan B“ ins Spiel zu bringen. Wenn sich die Verhandlungen als sehr schwierig herausstellen und eine Einigung in weite Ferne gerückt ist, muss die Geschäftsführung des Zulieferers allein schon aus kaufmännischer Vorsicht heraus damit beginnen, zumindest einmal intern einen Plan B vorzubereiten.
Das bedeutet, ein Insolvenztableau aufzusetzen, eine fiktive Konkursquote zu berechnen und zu überlegen, ob ein Restrukturierungsverfahren möglich ist und welche Schritte zu setzen sind. Des Weiteren gilt es, Überlegungen anzustellen, welche Verträge durch den Masseverwalter gekündigt werden könnten und welche Auswirkungen ein Konkurs oder ein Insolvenzverfahren auf den Kunden hätte.
Eine kommunizierte „Insolvenzdrohung“ muss ernst gemeint sein, d.h. wenn wesentliche Meilensteine des Kunden nicht eingehalten werden, sind entsprechende Konsequenzen zu ziehen, und es ist der Antrag bei Gericht zu stellen. Die Insolvenzdrohung erhält ihre Wirkung aus der Tatsache, dass Insolvenzverwalter:innen sämtliche Verträge kündigen können. Schadenersatzansprüche des Kunden wären möglich, würden aber nur quotal befriedigt.
Im Falle einer Insolvenz könnten Lieferungen abrupt gestoppt werden, vor allem bei Produkten, die offensichtlich Verluste generieren. Manchmal muss man als Zulieferer diesen Plan B auch umsetzen. Bei einem Unternehmen im Industrieanlagenbau war Plan B beispielsweise die einzige Möglichkeit, weil der Kunde (ein Unternehmen der öffentlichen Hand) partout nicht verstehen wollte, dass ein sehr großen Verlustprojekt existenzbedrohend ist und dass eine Fertigstellung zu den vertraglich fixierten Konditionen nicht machbar ist. Da bei den Verhandlungen nichts weiter ging, bereitete der Zulieferer in der Krise Plan B gewissenhaft vor, beantragte ein Sanierungsverfahren, der Masseverwalter kündigte umgehend den letalen Vertrag und das Sanierungsverfahren wurde bereits nach weniger als drei Monaten wieder aufgehoben.
Fazit
Preisverhandlungen mit Kunden sind harte Arbeit und erfordern maximale Aufmerksamkeit des Managements sowie eine solide und gewissenhafte Vorbereitung. Es geht nicht nur darum, einen Businessplan aufzubereiten und die Kalkulationen zu aktualisieren, sondern es müssen auch Potenziale im gesamten Unternehmen aufgedeckt und quantifiziert werden. Das eigene Produkt ist zu benchmarken, die Einschätzung des Vertriebs ist einzuholen und gegebenenfalls muss auch ein Plan B vorbereitet werden (z.B. Sanierungsverfahren). Auch bei optimaler Vorbereitung erstrecken sich Verhandlungen häufig über einen längeren Zeitraum, d.h. sie erfordern entsprechend interne und externe Ressourcen. Um diesen Zeitraum zu verkürzen, ist es wichtig, Druck aufzubauen und nicht locker zu lassen. Die Preiserhöhungen sollten dabei so gestaltet sein, dass das eingesetzte Kapital angemessen verzinst wird und somit nachhaltig auch die Kapitalkosten verdient werden können.
Trotz aller Berg- und Talfahrten kann ein Zulieferer während der Verhandlungen viel über das eigene Produkt und die eigene Organisation lernen . Auch ist es möglich, die Arbeit an einer gemeinsamen Lösung für eine Vertiefung der Beziehungen zum Kunden zu nutzen. Im Idealfall erkennt der Kunde, dass eine Preiserhöhung günstiger und nachhaltiger ist, als die Suche nach einem neuen Lieferanten.
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Fußnote
- Hierbei wird implizit unterstellt, dass die Bilanzwerte korrekt und vor allem werthaltig sind, da das Invested Capital in der Regel aus der Bilanz ermittelt wird. Gegebenenfalls sollte die Annahme der Werthaltigkeit genauer analysiert werden, da der Kunde eventuell eine andere Ansicht vertritt, insbesondere falls Fehlinvestitionen in der Vergangenheit das Invested Capital übermäßig aufgebläht haben. ↩︎