Wie entwickelt sich der CRO Markt in Österreich? Welche rechtlichen Themen hat ein Chief Restructuring Officer zu berücksichtigen? Und welche Parallelen gibt es zwischen dem CRO und einem Feuerwehreinsatzleiter?

Diese Fragen wurden beim Expertennachmittag von ReTurn bei Schoenherr Attorneys at Law zum Nutzen und zu den Einsatzmöglichkeiten von Chief Restructuring Officers (CROs) am 16.10.2024 in Wien behandelt und beantwortet.

Unser Partner Thomas Tschol referierte zum CRO Markt in Österreich und erläuterte, warum es zu Restrukturierungsbedarf kommt und warum Chief Restructuring Officer eingesetzt werden.

Auslöser von Krisen und Gründe für einen Restrukturierungsbedarf:

1) Defizite in der strategischen Führung (oft einhergehend mit einer unzureichenden Kenntnis des Marktes und der Mitbewerber)

2) Umsetzungsschwäche im Unternehmen (oft einhergehend mit mangelnder Entschlussstärke im Sinne von „Too little, too late“)

3) Gefährdung des klassischen Geschäftsmodells durch Digitalisierung (und in Bälde wohl auch durch KI)

4) Kritische Anforderungen bezüglich der Finanzierungsstrukturen (oft einhergehend mit dem Fehlen einer verlässlichen Datenbasis im Finanzbereich)

5) Mangel an qualifizierten und leistbaren Arbeitskräften (oft einhergehend mit hohen Verlustleistungen im Unternehmen, ineffizienten Prozessen und fehlender Automatisierung)

6) Mangelndes Stakeholdermanagement und Uneinigkeit auf der Eigentümerebene (oft einhergehend mit generellen Kommunikationsdefiziten im Unternehmen)

7) Exogene Einflussfaktoren wie Kriege und Pandemien (wobei eine Krise selten über Nacht kommt und sich die Fehlentwicklungen in den meisten Fällen schon lange vorher abgezeichnet haben)

Thomas Tschol betont, dass „Rent a CRO“ immer dann eine gute Idee ist, wenn spezielle Restrukturierungsexpertise erforderlich ist und wenn das Beharrungsvermögen in einem Unternehmen größer ist als die Veränderungsbereitschaft. Die Anzahl an CRO Mandaten beziffert er für Österreich mit 50 bis 100 pro Jahr.

Auf den konkreten Projekten sei es für einen CRO dann entscheidend, dass er seine Energie fokussiert und richtig einsetzt, denn man könne in der Krise nicht alle Probleme gleichzeitig lösen. Bei der Auswahl des „richigen“ Interim Managers für eine CRO Position verwendet Thomas Tschol die Drei-Minuten-Regel: Wer in dieser Zeitspanne nicht erklären kann, warum er bzw. sie die optimale Besetzung für die CRO Position ist, der ist es wohl eher nicht.

Die komplette Präsentation von Thomas Tschol finden Sie hier:

Die Rechtsanwältin Romana Weber-Wilfert von Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte fasste die Haftungsrisiken bei einem CRO Einsatz zusammen (Abgaben, Verwaltungsstrafrecht, Zivilrechtliche Aspekte) und erläuterte, ab wann von einer „faktischen Geschäftsführung“ auszugehen ist. Problematisch sei in der Praxis häufig die Darlegungslast. Der ehemalige CRO oder Geschäftsführer hat bei einer nachträglichen Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger ja keinen Zugriff mehr auf die relevanten Unterlagen, und so ist Beispielweise der Beweis, dass es zu keiner Verschlechterung für den Gläubiger und zu keinem Quotenschaden gekommen ist, oft schwierig zu führen.

Für allgemeine Erheiterung sorgte das Beispiel eines CROs, der in seiner Prämienvereinbarung stehen hatte, dass ihm eine solche für den Fall der Insolvenzeröffnung zustünde. Er meldete zwar Insolvenz an, wenig überraschend wurde die Prämienforderung vom Masseverwalter aber angefochten.

Die komplette Präsentation von Romana Weber-Wilfert finden Sie hier:

Sigmund Loibner von der Steiermärkische Bank und Sparkassen AG erläutert, wann und wie Banken auf CROs zurückgreifen und was ein bzw. eine Interim Managerin mitbringen muss, um als CRO zu reüssieren.

In Zusammenhang mit erforderlichen Standstills, Prolongationen, Stundungen, Laufzeitverlängerungen, Überbrückungs- und Sanierungskredite haben Banken die Möglichkeit, Unternehmen bei der Auswahl eines geeigneten CROs zu unterstützen. Sigmund Loibner betonte hierbei, dass die Bestellung eines CROs gegen den Willen der Eigentümer die Sanierung gefährden würde. Ein unabhängiger Chief Restructuring Officer könne aber gerade bei bestehendem Dissens zwischen Banken und Eigentümern ein guter Kompromissvorschlag sein.

Sigmund Loibner meinte, dass es bei größeren Restrukturierungen meist sowohl die Berater brauche (für Analysen und für die Konzepterstellung) als auch einen CRO (für die Umsetzung). Grundsätzlich sei es wichtig, dass ein Chief Restructuring Officer gut vernetzt ist (informelle Kanäle zu Banken, Anwälten und Beratern), dass er glaubwürdig sei und über Leadership verfüge („Führen mit Herz und Hirn“).

Anforderungsprofil für einen Chief Restructuring Officer aus Sicht der Banken:

1) Handlungskompetenz

  • Umsetzungsstärke
  • Entscheidungsfreudigkeit
  • Durchsetzungsvermögen
  • Hohe Belastbarkeit
  • Konsequenz

2) Fach- und Methodenkompetenz

  • Erfahrung im Krisenmanagement
  • Analytische Fähigkeiten
  • Beurteilungsvermögen
  • Systematisches Vorgehen
  • Betriebswirtschaftliches und juristisches Wissen

3) Persönliche Kompetenz

  • Erfahrung im Krisenmanagement
  • Analytische Fähigkeiten
  • Beurteilungsvermögen
  • Systematisches Vorgehen
  • Betriebswirtschaftliches und juristisches Wissen

4) Sozial- kommunikative Kompetenz

  • Kommunikationsfähigkeit
  • Konfliktfähigkeit
  • Kooperationsfähigkeit
  • Konsequenz

Die komplette Präsentation von Sigmund Loibner finden Sie hier:

Im vierten Vortrag „Die Parallelen zwischen einem CRO und einem Feuerwehreinsatzleiter“ berichtete Thomas Biringer aus der Praxis und veranschaulichte die Vorgehensweise erfahrener CROs anhand von Vergleichen mit Einsätzen der Feuerwehr. So differenzierte er zwischen Allgemeine Lage
(= Unternehmen), der Eigenlage (= Team) und der Schadenslage
(= Sanierungsgrund). Die zu setzenden Maßnahmen clusterte er in Retten (= Liquidität), Halten (= Stop Bleeding) und Löschen (= Turnaround). Auf die Frage aus dem Publikum, was die häufigste Reaktion der Belegschaft sei, wenn er als „Feuerwehrmann“ auftaucht, meinte Thomas Biringer: „Was die Leute dann sagen? Endlich ist einer da, der etwas tut!“. Er verwies aber auch auf die Bereiche, wo die Analogie des CROs mi einem Feuerwehreinsatzleiter an ihre Grenzen stößt: Während bei der Feuerwehr ein eingespieltes Team mit klaren Rollenverteilungen in militärischer Befehlsstruktur agiert, sind Hierarchien, Aufgaben und Kompetenzen bei Unternehmen in der Krise oft nicht klar definiert. Auf die Frage, ob es in Unternehmen in der Krise oft an wichtigen Kompetenzen fehle, meinte Thomas Biringer: „Ich habe immer noch die Kompetenzen, die ich gebraucht habe, im Unternehmen gefunden.“

Die Präsentation von Thomas Biringer finden Sie hier:

Die anschließende Podiumsdiskussion moderierte Gerhard Wüest. Vom ReTurn Vorstand waren vor Ort: Miriam Simsa, Olivia Micheli, Bernhard Klingler und Andreas Pleninger.

Der Expertennachmittag war ausgezeichnet besucht. Zahlreiche Berater:innen, Anwälte, Executive Interim Manager:innen und Bankenvertreter:innen waren anwesend, u.a. Martin Schwarzböck, Manuel Grotti, CMA, Claudia Spieler-Leonhartsberger, Nicole Danis und Stefan Lichtenecker. Von der Management Factory waren neben Thomas Tschol und Gerhard Wüest vor Ort: Nina Neubauer, Christian Kniescheck, Thomas Litzlbauer, Gerhard Vorwagner und Andreas Dörfler.