Den Cash-Bleed stoppen, das Unternehmen stabilisieren und den Turnaround meistern – das steht im Kern der Zielbeschreibung eines Chief Restructuring Officer (CRO). Beim Verfolgen einer außergerichtlichen Lösung ist er oder sie oft der letzte Ausweg aus einer Krise, an deren Ende das Worst-Case-Szenario einer jeden Bank lauert: der Ausfall. Banken wissen, wie wichtig eine konsequente Umsetzung des Sanierungskonzepts mit tragfähigen Lösungen ist. Denn dies sichert den Fortbestand eines Unternehmens und verhindert einen Ausfall. Die Banken sehen die in diesem Artikel skizzierten Aufgaben daher gerne in Händen, denen sie vertrauen. Verfasst wurde dieser Beitrag von Hartwig Skala, MBA, MSc, Restrukturierungsmanager der Oberbank und Vorstandsmitglied von ReTurn.

Die Bank als Triebfeder 

Einmal in der Liquiditätskrise, geht der Handlungsspielraum von Unternehmen schnell gegen Null. Aus eigener Kraft können am Markt keine frischen Mittel beschafft werden, der Überlebenskampf beginnt. Die neuen Ansprechpartner in der Bank sind die Workout-Manager:innen in der Restrukturierungsabteilung. Sie verschaffen sich in kurzer Zeit einen Überblick über den Kunden, sein Geschäftsmodell und dessen Umfeld. Ihre Aufgabe ist es, die Risikosituation der Bank im Griff zu haben und danach ihre Entscheidungen zu treffen. 

Dem Management wird oft nicht mehr zugetraut, adäquat auf die neue Situation zu reagieren. So sind es häufig die Restrukturierer:innen in den Banken, die die Bestellung eines Chief Restructuring Officers fordern. Die Argumente, die sie dafür an der Hand haben, sind der seidene Faden, an dem der Fortbestand des Unternehmens hängt: Stundungen, Laufzeit- & Konditionen-Anpassungen, Standstill, Prolongation und Bridge-Finanzierungen, um nur die Wesentlichsten zu nennen.  

Wirtschaftlich ist die Vermeidung eines teuren Ausfalls die Triebfeder hinter dem ehrlichen Willen, ein Unternehmen zu retten. Oft ist das für die Bank zunächst mit mehr Risiko verbunden. Dabei dreht sich viel um das zu diesem Zeitpunkt häufig bereits stark geschädigte Vertrauen. Die Wahl des richtigen CRO kann hierbei helfen, Gräben zu überwinden und Perspektiven zu schaffen. Banken schlagen dabei gerne von sich aus CROs vor, mit denen sie in der Vergangenheit bereits gute Erfahrungen machen konnten. 

Ein CRO muss unabhängig von Geschäftsführer:innen oder Gesellschafter:innen und frei von Interessenskonflikten arbeiten können. Dafür muss der CRO mit den benötigten Kompetenzen ausgestattet sein. So stellt oder ergänzt er oder sie idealerweise in Organfunktion die Geschäftsführung / den Vorstand des Unternehmens. 

Mit der Annahme des Mandats und der Bestellung durch die Eigentümer wird der CRO zu einem neuen Stakeholder im Unternehmen. Als solcher steht er vor allem bei den Banken, deren neuer Ansprechpartner er ist, im Mittelpunkt. Das kompakte, auf den ersten Blick klar definierte Ziel, das Unternehmen aus der Krise zu führen, ist mit unterschiedlichsten Erwartungshaltungen verbunden und stellt ein sich aufbauendes Spannungsfeld dar. 

Management im Spannungsfeld 

Zusätzlich zum eingeschränkten Handlungsspielraum sehen sich Unternehmen mit weiteren externen Stakeholdern konfrontiert, die sie bis dahin nicht oder nicht in dieser Form kannten. Innerhalb kurzer Zeit entsteht eine Gemengelage unterschiedlichster Interessen mit ausgeprägter Dynamik. Unternehmensberater:innen werden zu Dauergästen, Insolvenzanwälte zu regelmäßigen Gesprächspartnern, Warenkreditversicherer stellen erste unangenehme Fragen, die Beunruhigung bei Kunden und Lieferanten wird spürbarer, und mit dem Ansprechpartnerwechsel bei der Bank wird auch dort der Ton rauer. Das durchaus spannende Format der Bankenrunde kennen die meisten bestenfalls aus der Zeitung. 

Mit den neuen Stakeholdern geht außerdem ein neuer Kostenblock einher. Diesen zu stemmen setzt eine gewisse Unternehmensgröße mit entsprechendem Spielraum in der Wertschöpfung und der gesamten organisatorischen Schwungmasse voraus. Eine Restrukturierung muss man sich folglich leisten können und wollen. Ins Spiel kommen dabei die internen Stakeholder Eigentümer und Management. 

Im Schock der Krise wird häufig nicht oder zu spät realisiert, dass Geschäftsmodelle keine unbefristeten Erfolgsmodelle sind, sondern aus der Zeit fallen können. Man ist trotz des Zugeständnisses, einen CRO zu bestellen, in einigen Fällen weiterhin überzeugt, die Krise allein bewältigen zu können. Hier ist man bei einem kritischer Erfolgsfaktor in der Restrukturierung von Unternehmen angelangt: dem aktiven Mittragen der Restrukturierungsmaßnahmen durch Eigentümer und Management. Kann hier nicht überzeugt werden, sitzt der Feind in den eigenen Reihen – die Restrukturierung scheitert. 

Um als Manager:in in diesem von unterschiedlichsten Interessen und Befindlichkeiten geprägten Spannungsfeld zu bestehen, sollte man also zunächst vor allem die Fähigkeit mitbringen, Dynamiken rasch zu erfassen, die Geschehnisse richtig einzuordnen und diplomatisch zu agieren. 

Skill-Set CRO 

Auf dem Weg aus der Unternehmenskrise muss ein guter CRO jedoch nicht nur im Spannungsfeld bestehen – er oder sie muss in sehr kurzer Zeit sehr tief in ein Unternehmen eintauchen können. Die Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern wie Unternehmensberater:innen muss insbesondere während der Erstellung der Fortbestehensprognose / des IDW S 6 Gutachtens reibungslos verlaufen. Die darauffolgende Umsetzung des Restrukturierungskonzeptes erfordert ein hohes Maß an Konsequenz und Verbindlichkeit. Insgesamt sollte ein guter Restrukturierungsmanager neben einer starken Persönlichkeit ein breit gefächertes Skill-Set vorweisen: 

1) Verhandlungsstärke & Stakeholder Management 

Beides gehört neben dem bereits erwähnten diplomatischen Geschick zu den Grundvoraussetzungen. Exzellente Kommunikationsfähigkeit liegt jeder Verhandlung mit allen Stakeholdern und Gläubigern zugrunde. 

Forderungen, Interessen und Befindlichkeiten einzelner Stakeholder müssen gerade bei außergerichtlichen Lösungen ernst genommen werden. So können Wege aufgezeigt werden, die einen Konsens im Sinne des Restrukturierungskonzeptes erlauben. 

2) Führungskompetenz und Krisenmanagement 

Der CRO übernimmt eine Organisation in Unruhe: Via Flurfunk weiß die Belegschaft in der Regel schon lange, dass im Unternehmen etwas nicht stimmt. Erste Leistungsträger:innen haben womöglich bereits neue Herausforderungen gefunden und mit ihrem Abgang Löcher in die Organisation gerissen. Unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen fachen die Unruhe weiter an. Dem zu begegnen, erfordert die Fähigkeit, Menschen trotz allem ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und Widerständen begegnen zu können. Entscheidungen müssen unter Druck und innerhalb knapper Fristen getroffen werden. Vor diesem Hintergrund sind lange, oft komplexe Ursache-Wirkungs-Ketten bei der Umsetzung organisatorischer Veränderung eine zentrale Herausforderung an Führungskompetenz und effizientes Krisenmanagement – sowohl nach innen als auch nach außen. 

3) Operatives & Strategisches Management 

Im operativen Management ist ein tiefes Verständnis von Organisationen und deren Prozessen erforderlich. Erfahrung in der erfolgreichen Umsetzung von Kostensenkungsmaßnahmen, Prozessoptimierung und Personalanpassung sind klar von Vorteil. Im strategischen Management ist es die Arbeit an und mit Geschäftsmodellen beziehungsweise strategischen Organisationseinheiten, welche es zur Umsetzung von Turnaround-Strategien neu auszurichten gilt. 

4) Finance & Rechtliches Wissen 

Führen in der Krise ist eine Gratwanderung. Auf der einen Seite sind die richtigen wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen. Auf der anderen Seite müssen diese auch aus rechtlicher Sicht Bestand haben. Das Thema Anfechtung ist in Restrukturierungen omnipräsent.  

Ein CRO bringt daher jedenfalls die Basics in Gesellschafts- und Insolvenzrecht mit. Vertragsverhandlungen, insbesondere mit Banken, gehören trotz Unternehmensanwalt zu den Kernaufgaben und stehen am Anfang jeder Restrukturierungsvereinbarung. 

In dieser verpflichtet sich das Unternehmen zu gewissen, aus der positiven Fortbestehensprognose / dem positiven IDW S 6 Gutachten stammenden, Financial und Non Financial Covenants. Entsprechend wird ein Verständnis für finanzielle Restrukturierung, Liquiditätsmanagement und Cashflow-Management vorausgesetzt. Im laufenden Geschäft werden außerdem Kenntnisse in Controlling und Reporting erwartet. 

5) Branchenwissen 

Erfahrung in unterschiedlichen Branchen (zum Beispiel Manufacturing, Gesundheitswesen, Handel, Energie) kann sehr von Vorteil sein, wenn bei spezifischen Themen anzusetzen ist. Auch ein persönliches Netzwerk kann bei Restrukturierungen ein Added Value von CROs sein. 

Rechtliche Aspekte bei der Bestellung eines CRO 

Die rechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit der Bestellung eines CRO sind die faktische Geschäftsführung und das Eigenkapitalersatzgesetz. Diese gewinnen im Haftungsfall beziehungsweise im Zuge eines Insolvenzverfahrens an Relevanz. Banken versuchen, diese Themen schon im Vorhinein und bereits ab Kreditvertrag weiträumig zu umschiffen. Keine Bank möchte in den Dunstkreis der faktischen Geschäftsführung bzw. des Eigenkapitalersatzgesetzes kommen und mit den damit verbundenen Haftungsrisiken konfrontiert werden.  

A) Faktische Geschäftsführung 

Der oberste Gerichtshof (OGH) postuliert im folgenden Rechtssatz (vgl. zum Beispiel RIS-Justiz RS0119794), was unter faktischer Geschäftsführung zu verstehen ist:
„Faktischer Geschäftsführer ist, wer – ohne förmlich bestellt zu sein – maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt, womit es nicht darauf ankommt, ob es sich um einen Angestellten, Gesellschafter, Angehörigen oder Außenstehenden handelt.“ 

Laut OGH ist hierbei von Relevanz, dass der faktische Geschäftsführer nachhaltig und dauerhaft lenkenden Einfluss auf die Geschäftsführung und sohin auch auf das Unternehmen ausübt. In der Praxis werden die Unternehmenseigentümer bankenseitig einen Dreiervorschlag hinsichtlich der Bestellung eines CRO erhalten. Die tatsächliche Auswahl und Bestellung von CROs unterliegt den Eigentümern. Im Interesse des Fortbestands ist es jedoch ratsam, einen CRO zu wählen, der bei Banken und den übrigen Stakeholdern weitreichende Akzeptanz findet. 

B) Eigenkapitalersatzgesetz (EKEG) 

Für Banken ergibt sich ein mögliches Haftungsszenario auch aus dem EKEG: Einschlägig ist hier dessen § 5 Abs 1 Z 3, wonach der beherrschende Einfluss eines Nichtgesellschafters haftungsbegründend wirkt. Einem Gesellschafter gleichgestellt ist, wer „wie ein Gesellschafter, dem die Mehrheit der Stimmrechte zusteht, einen beherrschenden Einfluss auf eine Gesellschaft ausübt, selbst wenn er an dieser nicht beteiligt ist; kreditvertragstypische Informations- und Einflussrechte und Sicherheiten bleiben hiebei außer Betracht.“ 

Fazit 

Den Banken wird bei Restrukturierungen eine zentrale Rolle zuteil. Völlig zu Recht erwarten sie daher bei der Auswahl und Mandatierung von CROs eine starke, facettenreiche Führungspersönlichkeit als Ansprechpartner:in zu erhalten. Das Skill-Set eines Chief Restructuring Officers ist die Voraussetzung dafür, dass ein notleidendes Unternehmen das Commitment seiner Stakeholder gewinnt und durch die konsequente Umsetzung eines Restrukturierungskonzeptes aus der Krise geführt werden kann.