Was haben Einsatzleiter bei der Feuerwehr und Chief Restructuring Officer (CRO) gemeinsam? Was kann man für die ersten Tage als CRO von der Tätigkeit eines Feuerwehr-Einsatzleiters lernen, und welche Ähnlichkeiten oder Parallelen zwischen den beiden Führungspositionen bestehen? 

Thomas Biringer geht im folgenden Beitrag diesen Fragen nach: Er ist nicht nur einer der bekanntesten Executive Interim Manager Österreichs, der in den letzten Jahren unter anderem bei Rosenbauer International, Schwarzmüller Gruppe und WIEHAG im Einsatz war. Darüber hinaus ist er seit 40 Jahren Mitglied der Feuerwehr und absolvierte in dieser Zeit unzählige Feuerwehrtechnik- und Feuerwehrführungslehrgänge. Bereits bei einem Assessment Center während seines Studiums wurde ihm bestätigt, dass die Rolle des Feuerwehrmannes perfekt zu ihm passe. 

Was aber macht nun die Einsatzleitung bei der Feuerwehr aus? Die Feuerwehr bereitet sich auf Einsatzszenarien bei Übungen vor, etwa wenn es um einen Brand, einen Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person oder eine Lkw-Bergung geht. Dazu steht – in unterschiedlicher Ausprägung – der Feuerwehr das notwendige Gerät zur Verfügung. Trotzdem gestalten sich die Einsätze oft anders als geübt oder gedacht. Wesentliche Parameter wie Wetter, Schwere des Ereignisses, Schadenslage, Zufahrt, Beteiligte und Schlagkraft der Mannschaft machen jeden Einsatz beinahe einzigartig, dazu kommen natürlich der Stress, die Dramatik am Einsatzort, sofortige Hilfe und notwendige Entscheidungen, die auch immer entsprechend des jeweiligen Einsatzes individuell gehandhabt werden müssen. 

Dazu hat die Feuerwehr zwei wesentliche Vorgehensmerkmale: 

  1. Die Rollen beziehungsweise Funktionen wie Stabsfunktionen, Zugs- und  Gruppenkommandanten sowie Trupps sind geklärt und stark strukturiert. 
  1. Die Vorgehensweise ist geprägt von einem Zyklus, der vom Erkunden der Situation über die Lagebeurteilung und Entscheidungen bis hin zu Befehlen und der Überwachung der Situation reicht. 

Die Einsatztaktik obliegt übergeordnet der Einsatzleitung. Die jeweilige Ausführung, insbesondere die Einsatztechnik obliegt den Einsatztrupps unter der Führung eines Gruppenkommandanten.

Die nachfolgende Grafik veranschaulicht diese Rollen: 

Sowohl im Feuerwehreinsatz als auch in der operativen Restrukturierung ist das Managen von Abweichungen der wichtigste Teil. 

Bei einem Feuerwehreinsatz gibt es taktische Einsatzziele wie das Halten eines Brandabschnittes. Wenn diese nicht erreicht werden können, dann ist die Situation (also die „Lage“ in der Sprache der Feuerwehrleute) neu zu beurteilen und Maßnahmen (also „Befehle“) sind abzuleiten. 

Ähnliches gilt für die Restrukturierung, wo die Situation neu zu beurteilen ist, wenn wesentliche Parameter wie Liquidität oder wesentliche Termine nicht gehalten werden können. Hier kann man sich vereinfacht vorstellen, dass in der Restrukturierung die Einsatztaktik die Restrukturierungsvereinbarung darstellt und die Durchführung (Einsatztechnik) durch den CRO erfolgt.

Die folgende Grafik veranschaulicht schematisch die Vorgehensweise beim Feuerwehreinsatz: 

Alles vorher „Die Vorbereitung“ 

Was lässt sich darüber hinaus von der Feuerwehr für die Restrukturierung lernen? In beiden Fällen kann man sich auf Krisenszenarien vorbereiten. Bei der Feuerwehr gibt es Lehrgänge auf der Feuerwehrschule und Übungen bei der Feuerwehr. Natürlich sind auch die Einsätze selbst eine gute Vorbereitung für den nächsten Einsatz. 

In der Restrukturierung wird eine Krise durch eine drohende Zahlungsunfähigkeit virulent, oder bei einer Jahresabschlussprüfung wird es eng. Fehlendes Eigenkapital oder der Bruch von Covenants führt zu Notwendigkeit eines Gespräches mit den Banken. Daher gibt es meist schon im Vorfeld Bankenrunden, in welchen die wirtschaftliche Lage des Unternehmens diskutiert wird. Zur Feststellung der Situation wird meist ein Independent Business Review (IBR) mit Liquiditätsplanung und Vermögensnachweis erstellt, um die tatsächliche Situation festzustellen.

All das geschieht in der Regel noch bevor die CRO-Position besetzt ist. Der zukünftige CRO ist zu diesem Zeitpunkt meist noch nicht involviert.  

Wenn grundsätzlich das Verständnis zur Fortführung des Unternehmens durch die Stakeholder besteht, dass also unter den angenommenen Prämissen das Unternehmen sanierbar ist. Damit einhergehend wird meist externes Restrukturierungsmanagement gefordert, und ein/e Chief Restructuring Officer (CRO) wird hinzugezogen. 

Der Moment  „Ein CRO wird gesucht“ 

Die Auswahl eines CRO erfolgt zumeist auf Basis eines Dreier-Vorschlages durch den involvierten Bankenkreis. Der Eigentümer muss oft gegen seinen Willen einen neuen Manager oder eine neue Managerin an Bord holen. Vor dem Erstkontakt wird meist noch eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet. Das Erstgespräch mit den Eigentümern ist häufig von Unverständnis geprägt. 

Aussagen wie: 

  • „Nichts gegen Sie persönlich, aber ich brauche Sie eigentlich nicht.“ 
  • „Es wird viel schlimmer dargestellt, als es ist.“ 
  • „Ich versteh das gerade gar nicht, so viel Aufwand wegen so was.“ 
  • „Ich bin unfair behandelt worden, die Banker überziehen maßlos.“ 
  • „Sie kennen doch das Unternehmen gar nicht.“ (Was in der Regel auch stimmt.) 

Meist wird die Dramatik der Situation heruntergespielt, das wirkliche Problem wird negiert.  

Erst durch die Zustimmung der Stakeholder kommt es zur Nominierung eines Kandidaten oder einer Kandidatin, und erst im Falle dieser Nominierung erhält diese Person einen ersten, tieferen Einblick in das Unternehmen und die aktuelle Situation. Wer als CRO ein Mandat annimmt, weiß also meist gar nicht, worauf er bzw. sie sich einlässt. 

Wir kommen an! 

Bei der Feuerwehr ist klar: Der Gruppenkommandant oder die Gruppenkommandantin gibt den Befehl. Dann heißt es: „Innenangriff und Vornahme eines C-Rohres durch das Stiegenhaus unter schwerem Atemschutz.“ – FERTIG. – Jeder weiß was er zu tun hat. 

Bei der Feuerwehr ist der Ablauf also stark strukturiert, die Befehlskette klar, die Rollen akzeptiert. 

Als CRO wird es spannender. Dann heißt es zunächst einmal: „Hallo, ich bin da!“. Die Eigentümer wissen nicht, wie sie sich den CRO vorstellen sollen. Zu sagen, er oder sie sei zur Sanierung hier, ist meist nicht gewünscht. Warum auch? Das Problemverständnis ist zu diesem Zeitpunkt häufig immer noch nicht vorhanden. Aus den Bedingungen aus der Restrukturierungsvereinbarung ergibt sich in der Regel, dass der oder die CRO in die Geschäftsführung eintritt, manchmal gleich bei zahlreichen Gesellschaften. Aber es gilt: Der CRO kennt meist immer noch keine genauen Zahlen und konnte noch nicht identifizieren, wo das Problem wirklich liegt. Am ersten Tag des „Einsatzes“, oft am späten Vormittag, wird der CRO der ersten Führungsmannschaft vorgestellt. Mit großen Augen wird nonverbal gefragt: „Was will der jetzt da?“.  Natürlich wissen die Beschäftigten, wie es um das Unternehmen steht. Und spätestens, wenn sie das LinkedIn-Profil des CRO angesehen haben, wissen sie auch, mit welcher Aufgabe  dieser gekommen ist.  

Alle, Belegschaft und Eigentümer, erwarten vom CRO ein bereits fertiges Konzept, und sie wollen gleich erfahren, welche ersten Schritte gesetzt werden. Dabei handelt es sich um erste Erwartungen, die ganz zu Beginn kaum zu erfüllen sind, da der CRO bisher das Unternehmen nicht kennt, weder die handelnden Personen noch die genaue Struktur. Das Problem, auch hier, wie beim Feuerwehreinsatz: Viel Zeit bleibt nicht! Somit stellt sich die Frage: 

„Wie geht man es an?“ 

Das sagt die Feuerwehr: 

  1. Allgemeine Lage: 
    Sie ist von den Einsatzkräften nicht beeinflussbar. 
  1. Eigenlage: 
    Die eigene Lage bezieht sich auf die Person, die Gruppe, den Zug, die Feuerwehr. 
  1. Schadenslage: 
    Ist nicht von den Einsatzkräften beeinflussbar, offenbart sich erst am Einsatzort und verändert sich während eines Einsatzes! Im Wesentlichen unterscheidet die Feuerwehr zwischen technischen Einsätzen und Brandeinsätzen, in all ihren Ausprägungen. 

Das sagt der CRO: 

  1. Allgemeine Lage: 
    Sie hängt vom jeweiligen Unternehmen und der Unternehmensstruktur ab.
     
  2. Eigenlage: 
    Die eigene Lage bezieht sich auf die Personen, aber das Team kennt man noch nicht. Als CRO muss man mit einem neuen Team sehr schnell handlungsfähig sein. Daher ist es wichtig, rasch zu erkennen, wer für die folgenden Aufgaben geeignet ist – fachlich wie auch aus persönlicher Sicht. Mitarbeiter:innen, die in der guten alten Zeit hängen bleiben und die Realität verweigern, sind nicht hilfreich. Hier ist konsequentes Vorgehen gefordert, um möglichst schnell ein arbeitsfähiges Team zu gestalten. Die Erfahrung zeigt, dass für insolvenzrechtliche Belange ein qualifizierter Rechtsanwalt den Prozess begleiten sollte, nicht zuletzt deshalb, weil sich auch die involvierten Banken auch eines Rechtsanwalts bedienen. 
  3. Schadenslage: 
    Die Schadenslage im Unternehmen ergibt sich durch den Sanierungsgrund. In der Sanierung ist die Zahlungsunfähigkeit nur eine Ausprägung des Problems. Dahinter gibt es vielschichtige weitere Problemfelder, beispielsweise Umsatzeinbrüche und nicht angepasste Prozess- und Personalstrukturen. Projektabläufe und Projektcontrolling sind nicht vorhanden, Angebotskalkulation oder Preisgestaltung sind falsch, Finanzierungslücken sind entstanden, etwa wegen getätigter und überschrittener Investitionskosten. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Je tiefer ein CRO in das Unternehmen vordringt, desto mehr verändern sich auch die Aufgaben. Im Lauf der Zeit entstehen oft zusätzliche Probleme aus dem Tagesgeschäft, welche eventuell auch zu den Sanierungsproblemfeldern „passen“. Dazu kommt noch, dass wegen der schlechten Ertragslage in der Vergangenheit – formulieren wir es vorsichtig – „Grenzbereiche ausgenutzt wurden“. Das heißt, es stehen korrektive Maßnahmen an, die im Rahmen einer Jahresabschlussprüfung aufgearbeitet werden müssen.
    Somit stellt sich eine neue Frage: 

„Was ist zu tun?“ 

Das sagt die Feuerwehr: 

  • Retten:  
    Retten von gefährdeten Personen oder Tieren, Bergen von Sachgütern    
  • Halten: 
    Ausweitung des Ereignisses verhindern    
  • Löschen: 
    Beseitigen des Einsatzgrundes und der damit verbundenen Gefahren  

Das sagt der CRO: 

Retten bedeutet zunächst einmal: Liquidität sicherstellen! Hierbei ist das klassische Thema der Liquiditätsplanung, welches meist eine Forderung der Banken darstellt, von entscheidender Bedeutung. Ein wesentlicher Teil ist dabei das Working-Capital-Management und dessen Optimierung. Klare Prozesse und Verantwortlichkeiten im Forderungsmanagement sind unabdingbar. Auch Bestände sollten kritisch überdacht werden. Eine Hilfe kann eine wöchentliche Darstellung der Bankkonten sein, inklusive der Ausnutzung der Kreditrahmen, um schnell ein präzises Gefühl für den Liquiditätsstatus zu erhalten.

Halten bedeutet in der Restrukturierung: „Stop the bleed!“ Operative Sanierungsmaßnahmen müssen zügig umgesetzt werden. Hier empfiehlt es sich, an den Regelbesprechungen im Unternehmen teilzunehmen. In der Regel erhält man so einen schnellen Eindruck davon, wo es in der Organisation „hakt“, insbesondere unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Eine Cashflow-Betrachtung, insbesondere in Form einer Bridge, erweist sich hierbei als sehr hilfreich.

Nachfolgend ein Beispiel für eine Bridge zum Cashflow (Anmerkung: Keine Aussagen in diesem Beitrag beziehen sich auf konkrete Mandate):

Oft bewährt sich auch ein „War Room“, um die Kennzahlen der einzelnen Fachbereiche darzustellen und in einem wöchentlichen Meeting mit der ersten Führungsmannschaft zu diskutieren und zu synchronisieren. Besonders bei den Kennzahlen und Zielen, die sich aus den Anforderungen der Restrukturierungsvereinbarung und den Maßnahmen der leistungswirtschaftlichen Sanierung ableiten, müssen alle Beteiligten auf denselben Stand gebracht werden.

Löschen bedeutet im Restrukturierungsfall: Transformation des Unternehmens.
Es gehört auch zu den Aufgaben des CRO, neben der kurzfristigen Problemlösung – also der Beseitigung der Insolvenzgründe – die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens mitzugestalten. Dabei muss entschieden werden, welche Maßnahmen notwendig sind, um das Unternehmen kurzfristig stabil und zahlungsfähig zu halten, und welche Schritte erforderlich sind, um langfristig die Ertragsfähigkeit zu steigern. Dies stellt im Grunde eine wesentliche Forderung aus der Fortbestehensprognose dar.

Hier kann es jedoch zu Konflikten kommen, da kurzfristige Entscheidungen mit sofortiger (sicherer) Wirkung oft im Widerspruch zu langfristigen Entscheidungen mit unsichereren Ergebnissen stehen. Beispiele hierfür sind Kürzungen von Investitionen oder der Abbau von Stabsstellen und Personal. Gleichzeitig kann es notwendig oder sinnvoll sein, eine neue Unternehmensstrategie zu entwickeln und unter den veränderten Rahmenbedingungen zu etablieren.

Es gibt also wesentliche Unterschiede zwischen der Einsatzleitung bei der Feuerwehr und der Führungsaufgabe in der Restrukturierung – aber ebenso viele Gemeinsamkeiten. Beides wird in der folgenden Übersicht nochmals verdeutlicht:

Ein CRO führt die Geschäfte eines Unternehmens unter erschwerten Bedingungen. Das heißt, er oder sie sollte auch Erfahrung darin haben, ein Unternehmen „unter normalen Bedingungen“ zu leiten. Dann ist die nötige Expertise für exzellente Führungsarbeit vorhanden, denn in der Krise ist diese besonders nötig: Hier ist kein Platz für Fehlentscheidungen. Chief Restructuring Officer haben mit der Restrukturierungsvereinbarung oder der Fortbestehensprognose bereits ein gutes „Arbeitsprogramm“ in der Hand. Die Kunst ist jedoch die Umsetzung – und dazu braucht es nicht nur das nötige „Handwerkszeug“, sondern auch die ausgezeichnete Führungskompetenz! 

Anmerkung: Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag, den Thomas Biringer beim ReTurn Expertennachmittag zum Chief Restructuring Officer in Wien im Oktober 2024 gehalten hat. Die Inhalte dieses Artikels beziehen sich nicht auf konkrete Mandate.  

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