Dr. Romana Weber-Wilfert von Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte ist eine ausgewiesene Insolvenz- und Arbeitsrechtsexpertin, hat zahlreiche Unternehmen und Geschäftsführer bereits vor Gericht vertreten und wird regelmäßig vom Handelsgericht als Masseverwalterin eingesetzt. In diesem Artikel für den Newsletter der Management Factory führt sie aus, welchen rechtlichen Risiken sich CROs (Chief Restructuring Officer) gegenübersehen. 

Sanierungsmanager:innen sind Retter in der Not: Sie unterstützen Unternehmen in Krisensituationen bei einer erfolgreichen Sanierung und übernehmen zu diesem Zweck teilweise auch führende Positionen wie die Organstellung. Doch dabei können sich für Sanierungsmanager:innen auch ernstzunehmende Risiken auftun: So ist die Haftung der Sanierungsmanager:innen ein schlagendes Thema.  

Die erste Differenzierung ergibt sich vorab daraus, ob der/die Sanierungsmanager:in seine/ihre Funktion als Organ ausübt oder nicht. Für den Fall, dass es nicht ohnedies zu einer Organstellung kommt, muss weiters die Frage der faktischen GF geprüft werden.  

Haftung von Sanierungsmanager:innen mit Organstellung 

Aus der Organstellung kann eine abgabenrechtliche Haftung nach ASVG und BAO drohen, daneben sind verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeiten nach SDBG, ASVG und aus dem Arbeitnehmerschutz mit durchaus hohen Strafen zu beachten. Zuletzt darf auch die Haftung für eine Insolvenzverschleppung nicht vergessen werden.  

Die Haftung der Sanierungsmanager:innen mit Organstellung für Lohnabgaben ist durchaus nicht zu unterschätzen: Für die Abgabenbehörden ist die Stellung als CRO nicht weiter relevant.  

Sehen wir uns näher die Haftung des Geschäftsführers bzw. der Geschäftsführerin für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge an: Die Rechtsgrundlage ist § 67 Abs 10 ASVG, welcher der Haftung nach §§ 9 und 80 BAO nachgebildet ist. Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter:innen natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldner:innen für die zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertreter:innen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.  

Die Voraussetzungen gemäß § 67 Abs 10 ASVG sind dabei:  

  • Uneinbringlichkeit – Feststellungen durch Sozialversicherungsträger:innen
  • Stellung des Haftenden als Vertreter:in  
  • Verschulden an der Pflichtverletzung (leichte Fahrlässigkeit reicht) 
  • deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit 
  • sowie Rechtswidrigkeitszusammenhang 

Zu beachten ist die Beweis- und Darlegungslast: die Vertreter:innen trifft die besondere Verpflichtung darzutun,  

  • aus welchen Gründen die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war –  
  • widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann.  
  • sie stellen dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so sind sie zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern. Kommen sie dem nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass sie der Pflicht schuldhaft nicht entsprochen haben.  

Der/Die Geschäftsführer:in kann mit dem Einwand, dass die Unterlagen nicht für ihn/sie verfügbar seien, da diese weder kopiert worden seien noch nachträglich von Masseverwalter:innen zu erlangen gewesen wären, nicht durchdringen!

Von Seiten der Abgabenbehörden wird dazu vertreten, dass jedes Organmitglied, das fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, sich schon im Hinblick auf eine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger jene Informationen zu sichern habe, die die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen.  

Gläubiger:innengleichbehandlung als wesentliches Kriterium: Bei den zentralen Pflichtverletzungen, nämlich der Meldepflicht, Zahlungspflicht und der Abfuhrpflicht hinsichtlich einbehaltener Dienstnehmer:innenbeträge steht die Gläubiger:innengleichbehandlung vor allem bei der Zahlungspflicht im Vordergrund. Der praktisch wichtigste Fall der Pflichtverletzung ist die Verletzung der Verpflichtung zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge durch Benachteiligung des Krankenversicherungsträgers im Verhältnis zu anderen Gläubiger:innen (Verletzung des Gleichbehandlungsgebots).  

Die einzelnen Darlegungspunkte betreffen: 

  • im Beurteilungszeitraum fälligen unberichtigten Beitragsschulden und  
  • die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten  
  • sowie die darauf jeweils geleisteten Zahlungen darlegen müssen 

Der VwGH vertritt die Gläubiger:innengleichbehandlung nach der Zahlungstheorie. Das bedeutet, wenn andere Forderungen zumindest teilweise erfüllt werden, so müssen im entsprechenden Prozentsatz auch die Forderungen des Versicherungsträgers erfüllt werden. Keine Haftung gibt es damit grundsätzlich, wenn der/die Schuldner:in die Zahlungen gänzlich einstellt.  

Eine Prüfung erfolgt in folgenden Schritten: 

1. Der Zeitraum beginnt mit Fälligkeit der ältesten unberichtigten Beitragsforderung und endet mit dem Verantwortlichkeitszeitraum des Vertreters – also Insolvenzeröffnung oder früherer Rücktritt – gänzliche Einstellung aller Zahlungen. 

2. Alle in diesem Zeitraum fällig gewordenen Beitragsforderungen und alle sonstigen Geschäftsforderungen sind aufzuaddieren (Gesamtforderungen). 

3. Gegenüberstellung der geleisteten Zahlungen (tatsächliches Zahlungsvolumen) und Gesamtforderungen Prozentsatz der Befriedigung.

4. Ist der Prozentsatz der Befriedigung der Beiträge niedriger, so wird für die Differenz gehaftet. 

Diese Ausführungen zeigen sehr deutlich: die Berechnung und Darlegung, dass die Gläubiger:innengleichbehandlung eingehalten wurde, ist für das Organmitglied eine aufwändige und durchaus teure Angelegenheit. Auch diesbezüglich sollte schon rechtzeitig – beim Eingehen der Organfunktion – eine Vereinbarung getroffen werden, wer diese Kosten letztlich zu übernehmen hat! 

Wovon viele Manager:innen, die eine Organfunktion übernehmen, nicht ausgehen: Die Haftung der neu bestellten Vertreter:innen besteht auch für Beitragsrückstände, die vor der Bestellung aufgelaufen sind! Ein Vertreter, der erst zu einem Zeitpunkt Vertreter wird, zu dem bereits Beitragsschulden bestehen, die ohne seine Mitwirkung zustande gekommen sind („Altschulden“), hat sich ab dem Eintritt seiner Verantwortlichkeit um die Berichtigung dieser Beitragsschulden aus den vorhandenen Mitteln beziehungsweise um die Gleichbehandlung dieser Verbindlichkeiten mit anderen Schulden entsprechend zu kümmern, widrigenfalls er auch für „Altschulden“ haftet. 

Faktische Geschäftsführung

Bei all den Haftungsrisiken liegt der Gedanke nahe, diesen Haftungen zu entgehen, indem keine Organstellung übernommen wird. Abgesehen von praktischen Erschwernissen bei der Sanierung ist zudem die Haftung als faktische:r Geschäftsführer:in zu beachten:  

Im Rahmen des Abgabenänderungsgesetzes 2012 (AbgÄG 2012) wurde nun mit § 9a BAO eine Regelung geschaffen, die vorsieht, dass Personen, die auf die Erfüllung der Pflichten des Abgabenpflichtigen und die in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter:innen tatsächlich Einfluss nehmen, diesen Einfluss dahingehend auszuüben haben, dass diese Abgabenpflichten erfüllt werden. Diese Personen haften in weiterer Konsequenz für Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge ihrer Einflussnahme nicht eingebracht werden können.  

Wenn eine Stellung als faktische:r Geschäftsführer:in vorliegt, kann die Haftung nicht vermieden werden. Unklar ist oftmals, wann eine faktische Geschäftsführung vorliegt. Wesentlich sind Merkmale wie Entscheidungsbefugnisse: Übt die Person Entscheidungsmacht in Bereichen aus, die typischerweise der Geschäftsführung vorbehalten sind? Dies kann Finanzentscheidungen, Personalentscheidungen oder strategische Ausrichtungen des Unternehmens umfassen.  

Außendarstellung: Tritt die Person gegenüber Dritten, wie Kund:innen, Lieferanten oder Finanzinstituten, als Vertreter:in des Unternehmens auf, in einer Weise, die auf eine Geschäftsführungsposition schließen lässt? 

Einfluss auf die Unternehmensführung: Hat die Person einen maßgeblichen Einfluss auf die tägliche Geschäftsführung und die strategische Ausrichtung des Unternehmens? 

Beteiligung an der Vertragsgestaltung: Spielt die Person eine entscheidende Rolle bei Vertragsverhandlungen und -abschlüssen? Ein faktischer Geschäftsführer ist oft stark in die Planung und Ausführung wichtiger Verträge involviert. 

Dauer und Intensität der Tätigkeit: Ein weiteres Anzeichen für das Vorliegen eines faktischen Geschäftsführers kann die Dauer und die Intensität der ausgeübten Aktivitäten sein. Ist die Person ständig mit Aufgaben betraut, die eigentlich in den Verantwortungsbereich der Geschäftsführung fallen, und dies über einen längeren Zeitraum hinweg? 

Die Beurteilung hat daher jeweils im Einzelfall zu erfolgen. 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei Haftungsfragen die Rechtsstellung als Sanierungsmanager:in keinen Einfluss hat. Die Haftung betrifft nicht nur CROs, welche die Organstellung übernehmen: bei einer entsprechenden Intensität der Tätigkeit, die eben zu einer Stellung als faktische:r Geschäftsführer:in führt, kann man sich auch ohne Organstellung nicht des Haftungsrisikos begeben.  

Wenn Sie das Thema Geschäftsführerhaftung interessiert, so möchten wir hier auf zwei weitere Beiträge dazu verweisen:  

Geschäftsführerhaftung in der Krise – Teuflisches Risiko oder totes Recht

Übernahme von Organfunktionen und Aufrechterhaltung der Insolvenzfähigkeit in der Krise

Hier geht es zu den drei anderen Beiträgen dieses Newsletters: