Im zweiten Teil des Gesprächs stellt Barbara Heitger Fragen zum Executive Interim Management. Christian Kniescheck erläutert, wie sich bei der Management Factory und Valtus die Interim Manager:innen auf den Auftrag vorbereiten, welche Art von Mandaten es gibt und wie das Ende von Projekten optimalerweise gestaltet wird. Im ersten Teil des Gesprächs ging es vor allem um die systemische Perspektive. Barbara Heitger erläuterte dort, was Executive Interim Manager:innen von systemischen Berater:innen lernen können.

Christian Kniescheck: Liebe Barbara, wir haben uns ja schon darüber unterhalten, was Interim Management von systemischer Beratung lernen kann. Ich habe versprochen, Dir im zweiten Teil selbst für Fragen rund ums Interim Management zur Verfügung zu stehen.

BH: Genau. Ich finde sehr interessant, was Du machst, weil das eine Art Nachbar-Profession zur Change Management Beratung ist. Was macht Interim Management erfolgreich? Wann gilt ein Auftrag als gelungen?

CK: Ich denke, das hängt sehr stark von der Aufgabe ab. Interim Management kann wie „normales“ Management alles Mögliche sein, Es gibt Interim Management Projekte mit einer ganz klaren Aufgabenstellung, z.B. einer Restrukturierung, einer Vakanz-Überbrückung oder dem Herauslösen einer Business Unit aus dem Unternehmen, um dieses dann wie ein Start-up neu zu positionieren. Interim Management ist in diesen Fällen deshalb stark nachgefragt, weil hoher Zeitdruck herrscht und weil es Erfahrung braucht, also Leute, die das schon einmal gemacht haben. Wenn es eine definierte Aufgabe und ein klares Ziel gibt, dann lässt sich am Ende einfach sagen, ob das Mandat erfolgreich war oder nicht.

Auf der anderen Seite ist Interim Management oft gerade dann gefragt, wenn es keine klare Aufgabenstellung gibt. Interim Manager:innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie viel Managementerfahrung haben, dass sie mit Menschen umgehen können und dass sie gut agil arbeiten können. In Umbruch- und Krisensituationen ist oft nicht klar, was das Unternehmen genau braucht, oft sind es multiple Krisen, wo du sehr schnell agieren und entscheiden musst. Das können erfahrene Interim Manager:innen gut.

In Fällen, wo die Aufgabe anfangs nicht klar definiert ist, bedeutet Erfolg letztlich immer die Zufriedenheit des Kunden und die nachhaltige Lösung der Herausforderungen, die sich während des Mandats herauskristallisieren.
Die Interim Management Branche wächst in Europa seit vielen Jahren 10 % – 15 % pro Jahr. In Österreich beträgt der Markt bereits ca. 300 Millionen Euro, in Deutschland sind es knapp drei Milliarden Euro.

BH: Könnt Ihr aus Eurer Erfahrung bei der Management Factory heraus sagen, wo Interim Management am häufigsten eingesetzt wird?

CK: Die häufigsten Positionen im Interim Management sind General Management, CEO und CFO, gefolgt von COO, Plant Manager, Operations Manager und Werksleiter, HR ist auch sehr häufig, weil das wie Finance gut von einen oder eine Externen für eine bestimmte Zeit gemacht werden kann. Marketing und Sales sind eher selten.

BH: Was ist mit IT, ESG und Restrukturierungen?

CK: Eine ERP-Implementierung ist ein Klassiker im Interim Management. Du holst Dir nicht mehr nur den Berater, sondern einen Manager als CIO, der die Implementierung leitet. ESG-Positionen werden derzeit auch stark nachgefragt, das wird aber in ein paar Jahren wieder vorbei sein. Restrukturierungen sind hingegen ein Dauerthema im Interim Management. Grundsätzlich kann man sagen, dass Interim Management eine sehr attraktive Option ist, wenn die Opportunitätskosten hoch sind.

„Interim Management ist eine sehr attraktive Option, wenn die Opportunitätskosten hoch sind.“

BH: Wo ist Interim Management weniger erfolgreich?

CK: Es gibt relativ wenig Aufträge bei kleinen Unternehmen, also bei Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeiter:innen und mit einem Umsatz unter € 50 Millionen. Und es gibt relativ wenige Interim Manager, die als Chief Sales Officer arbeiten. Ich denke, das hängt damit zusammen, dass im Verkauf und im Key Account Management die langfristige Beziehung zu den Kunden im Vordergrund steht.
Ein Interim Management Mandat dauert durchschnittlich 11,5 Monate, und das ist für Sales und für den Beziehungsaufbau zum Kunden nicht die optimale Lösung. Hingegen gibt es bei Strategie und Business Development oft externe Manager:innen, die diesen Prozess aufsetzen und in einer Firma implementieren.

BH: Wie fangen denn üblicherweise Eure Projekte an? Wie startet der Interim Manager bzw. die Interim Managerin?

CK: Wir arbeiten von Anfang an immer in einem Dreieck, das Partner der Management Factory, den Auftraggeber und den Interim Manager oder die Interim Manager:in umfasst.

Alle Partner:innen der Management Factory sind oder waren selbst Manager Deshalb können wir unsere Kunden optimal dabei unterstützen, die Aufgabenstellung und das Anforderungsprofil zu konkretisieren. Wir schlagen dann innerhalb von drei Tagen zwei bis drei Manager:innen vor, die das Mandat übernehmen könnten. In dieser Zeit schauen wir in unserem Pool, wer passen könnte, kontaktieren diese Interim Manager:innen und prüfen Verfügbarkeit und Interesse. Wenn wir selbst keine passende Person im Netzwerk haben, können wir auch mit unseren Partnern im Valtus Netzwerk in ganz Europa Rücksprache halten. Somit haben wir in Summe Zugriff auf über 15.000 Interim Manager:innen. Oft brauchen wir auch jemanden in einem anderen Land. Dann suchen wir gar nicht selbst, sondern übergeben den Fall und die Suche an unsere Kolleg:innen von Valtus im jeweiligen Land.

BH: OK, das macht ihr. Und was wie schaut das für den Manager aus?

CK: Wir kontaktieren also den Interim Manager bzw. die Interim Manager:in. Es gibt ein Vorgespräch mit dem jeweiligen Partner der Management Factory, der sich ein Bild macht, ob die jeweilige Person zum Kunden passt. Dann gibt’s den CV und sehr schnell eine Videokonferenz, wo wir zu dritt die Aufgabe durchsprechen. Im Idealfall kommt es dann zu einem persönlichen Termin, und wenn alles gut geht, dann startet der bzw. die Interim Manager:in innerhalb von zehn Tagen.

„Wenn alles gut geht, dann startet der bzw. die Interim Manager:in innerhalb von zehn Tagen.“

BH: Das ist schnell.

CK: Klar. Das ist der Vorteil des Providers und deshalb hat er ja seinem Pool von Manager:innen.

BH: Wie sieht der erste Tag in dem Unternehmen aus?

CK: Es kommt auf die Aufgabe an. Bei der Überbrückung einer Vakanz, wenn zum Beispiel jemand in Karenz geht, dann kommt der Manager, übernimmt die Position, stellt sich den Mitarbeiter:innen vor und fängt zu arbeiten an.

Es gibt aber auch den Fall, wo etwas Neues geschaffen werden soll, ein neues Geschäftsfeld oder eine strategische Neuausrichtung. Dann überlegen wir vorab, wie man das am besten angeht. Es gibt in diesen Fällen meist ein Projektteam, eine neue Struktur und eine Kick-off-Veranstaltung.

Bei Restrukturierungen gibt es unterschiedliche Szenarien. In einen Fall wird das bestehende C-Level von den Eigentümern abberufen. Das ist dann immer unerwartet und erfolgt sehr rasch. Der bzw. die Interim Manager:in ist dann beispielsweise um 10 Uhr beim Notar für den Eintrag ins Firmenbuch, um 11 Uhr werden die Top-Führungskräfte informiert, um 12 Uhr der Betriebsrat und um 13 Uhr gibt es eine Betriebsversammlung, wo der neue Geschäftsführer vorgestellt wird.

Der erste Tag ist also je nach Aufgabe sehr unterschiedlich. Ein anderes Beispiel ist die Post-Merger-Integration. Ein Unternehmen kauft eine andere Firma und möchte im Finanzbereich eine Vertrauensperson installieren. Es wird zugekauft, es gibt das Closing, Du schlägst auf und übernimmst. In diesem Fall gibt es aber meist eine Übergangsphase, wo der alte CFO auch noch an Bord bleibt.

BH: Aber auch hier wieder dieselbe Geschichte: Abberufung, Bestellung und los geht‘s.

CK: Alternativ belässt der Eigentümer mitunter die bestehenden C-Levels im Unternehmen und stellt den Interim Manager als Dritten dazu. Das ist häufig auch bei Turnarounds der Fall. Das bestehende Management ist gut, es braucht aber Unterstützung. Der Interim Manager wird als Dritter an Bord gebracht, mit spezifischen Aufgaben. Da ist auch von Anfang an klar, dass er bzw. sie nach einem oder eineinhalb Jahren das Unternehmen wieder verlassen wird.

BH: Wie erfolgt die Kommunikation beim Start des Interim Managers?

CK: In der vorhin erwähnten Dreierbesprechung zwischen Auftraggeber:in, Partner:in der Management Factory und Interim Manager:in überlegen wir, wie man’s am besten kommuniziert. Braucht es eine Presseaussendung, eine Mitarbeiterversammlung oder macht man es einfach niederschwellig?
Was darüber hinaus noch wichtig ist, haben wir im ersten Teil unseres Gesprächs ja schon diskutiert, Danke für Deine wertvollen Gedanken dazu!

BH: Gerne! Aber ich würde Dir noch gerne weitere Fragen stellen: Wo siehst Du die größten Herausforderungen während des Projektes, wenn du auf deine eigenen Interimsmanagement Erfahrungen zurückblickst?

CK: Wie bei „normalen“ Manager:innen ist auch für Interim Manager:innen das Stakeholder-Management eine große Herausforderung, wobei Stakeholder nicht gleich Stakeholder ist. Ein Konzern funktioniert anders als ein Familienunternehmen mit einem Patriarchen oder einer Patriarchin.
Auch die Geschäftsführungskolleg:innen und das Management sind in jedem Unternehmen unterschiedlich. Der große Vorteil des Interim Managers ist, dass er immer als Externer im Unternehmen „drinnen“ ist. Somit kann man sich besser rausnehmen und kippt nicht so stark und schnell ins System hinein wie ein angestellter Manager. Vor allem hast du immer den zugeordneten Partner der Management Factory im Dreieck. Der kann als Sparring Partner dienen, zur Know How-Unterstützung oder auch einfach als Coach, wenn man ansteht und nicht mehr weiter weiß. Als Interim Manager:in hast du somit immer eine Fall-back-Option.

„Als Interim Manager:in hast du somit immer eine Fall-back-Option.“

BH: Wie werden Projekte bei Interim Manager:innen abgeschlossen?

CK: Wenn die Aufgabe bzw. das Projekt erledigt ist und keine Nachbesetzung notwendig ist, dann hörst Du mit einer kurzen Übergabephase auf, und das war’s auch schon. Wenn die Position hingegen weiter besetzt werden soll, dann suchen wir Interim Manager:innen häufig selbst unsere Nachfolger:innen aus. Klassischerweise beauftragen wir einen Headhunter, und es gibt Hearings. Dort ist der Eigentümer dabei und normalerweise eben auch wir, weil wir die zu besetzende Position gut kennen, und die Kandidat:innen inhaltlich auch besser beurteilen können als der Eigentümer. Oft dauert es dann noch eine Weile, weil der Nachfolger häufig eine mehrmonatige Kündigungsfrist hat. Aber wenn er bzw. sie dann da ist, dann sollte die Übergabe schnell erfolgen. Niemand braucht parallel zwei C-Levels für das gleiche Thema. Wir sind dann zwar rasch weg, stehen aber selbstverständlich immer mit Rat und Tat zur Verfügung.

BH: Lieber Christian, Danke für das Gespräch!

Den ersten Teil des Gesprächs, in dem Barbara Heitger erläutert, warum Interim Management aus systemischer Sicht bei bestimmten Aufgaben eine vielversprechende Lösung ist und worauf Interim Manager:innen achten sollten, finden Sie hier.