Gerhard Wüest, Senior Partner und Mitgründer der Management Factory, spricht mit Axel Kühner über Nachfolge als wichtigste strategische Aufgabe von Eigentümer:innen. Kühner ist Inhaber der ASK Management GmbH, ehemaliger CEO der Greiner AG sowie ehemals Top-Manager bei Daimler. Im Interview erklärt er, wie Nachfolge am besten gelingt: Eigentum und operative Führung sollen bewusst getrennt, Optionen durch Interim-Management offengehalten und externe Sparringspartner:innen einbezogen werden.
Gerhard Wüest: Warum beschäftigt uns das Thema „Fachkräftemangel“ gerade jetzt so intensiv?
Axel Kühner: Das hat natürlich mit der Demografie zu tun. Der Fachkräftemangel ist für alle greifbar, und es gibt darüber hinaus einen Nachfolgemangel bei Eigentümer:innen. Das Karrieredenken hat sich gewandelt. Die nächste Generation will oft eine andere Balance für sich finden. Die Kinder der Eigentümer:innen sehen häufig, was die ältere Generation leistet, aber auch, was sie dafür aufgeben musste. Dazu ist die nächste Generation häufig nicht mehr bereit. Diese Unternehmen brauchen somit ein externes Management.
Gerhard Wüest: Zu diesem Zeitpunkt sollten Unternehmen Geschäftsführung und Eigentum also trennen?
Axel Kühner: Eigentümer:innen in den nächsten Generationen werden sich stärker auf ihre Eigentümer:innenrolle verlegen. Als ich zu Greiner kam, war es ein familiengeführtes Unternehmen. Mit mir entwickelte es sich zu einem fremdgeführten Familienunternehmen. Auch heute ist die Familie über den Aufsichtsratsvorsitz stark engagiert, also aus einer ganz anderen Sicht und aus einer ganz anderen Management-Ebene heraus. Das passiert auch in vielen deutlich kleineren Unternehmen in ähnlicher Form.
Gerhard Wüest: Der Nachfolger-Generation bietet man also eine Art Bridging-Funktion an. Das umfasst auch Coaching, um sie vorzubereiten, falls sie das Management später selbst übernehmen möchten. In anderen Fällen möchte die junge Generation aber gar nicht einsteigen.
Genau. Gerade auch im zweiten Fall ist es ganz wichtig, dass man loslässt, um aus einer anderen Perspektive die bestmögliche Option zu entwickeln. Wenn man lange in einer operativen Tätigkeit ist, fällt es unheimlich schwer, die Dinge in Ruhe zu entwickeln. Seien wir ehrlich: Nachfolge ist das wichtigste Thema, das Eigentümer:innen haben. Und trotzdem laufen diese Dinge oft en passant, anstatt dass man sich wirklich darauf konzentriert. Eine Fremd-Geschäftsführung erhöht auch die Optionen, weil damit die Chance steigt, das Unternehmen mehrheitlich verkaufen zu können. Ich kann es aber auch behalten.
Worauf sollte man noch achten bei der Nachfolge mittels Verkauf?
Ein ganz wichtiger Aspekt ist das Thema Transaktionssicherheit. Das steht immer an erster Stelle, egal ob es sich um strategische oder um Private-Equity-Erwerber:innen handelt. Dabei ist das größte Risiko aus meiner Erfahrung meistens der Unternehmer oder die Unternehmerin selbst. In einer bestimmten Größenordnung, etwa bis 250 oder 350 Millionen Euro Umsatz, läuft noch ganz viel über die Eigentümer:innen, hier ist die zweite Management-Ebene oft nicht stark genug involviert. Alle Entscheidungen liegen also bei einer Person, was natürlich ein großes Risiko birgt. Klarerweise versucht man immer, diese Person noch ein paar Jahre im Unternehmen zu halten. Aber wir wissen alle, wie schwierig das ist und welche nachgelagerten Prozesse davon betroffen sind. Wenn man das Unternehmen hingegen sauber übergibt, dann hat das auch den Vorteil, dass ein höherer Verkaufspreis zu erzielen ist. Wenn man die zweite Management-Ebene stärkt, Prozesse und Strukturen schafft, so wie sie in einem nicht-eigentümergeführten Unternehmen häufig vorzufinden sind, dann verbessert das den Verkaufserlös, weil das Unternehmen unabhängiger geführt wird.
Wer eine Fremdgeschäftsführung einsetzen möchte, steht vor der Wahl: Entweder starte ich einen Headhunting-Prozess, oder ich engagiere geeignetes Interim-Management. Wie ordnen Sie diese beiden Varianten ein?
Der entscheidende Punkt ist das Zusammenwirken. Ein Headhunting-Prozess kann eine hervorragende Lösung bringen. Hier sollte man viel Zeit investieren, was leider häufig unterbleibt. Solche Entscheidungen werden oft zu schnell getroffen, sodass man nicht die Gelegenheit hat, jemanden kennenzulernen. Auf der anderen Seite gibt es das Interim-Management. Mit dem Anbieter für Interim-Management schließt man einen Vertrag ab über die Leistungen, nur in zweiter Linie betrifft das eine ganz bestimmte Person. Daher wird durch Interim-Management eine stabilere Transformation herbeigeführt.
Sich von einer Person aus einem Headhunting-Prozess zu trennen, scheint mir wesentlich schwieriger zu sein als von einer Person, die interimsmäßig für das Unternehmen tätig wurde.
Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Jeder, der im Management war, hat schon einmal falsch entschieden und die falschen Personen eingestellt. Es dauert eine Weile, bis man sich das eingestanden hat. Dadurch bleiben die falschen Personen zu lange im Unternehmen. Beim Interim-Management kann man solche Dinge viel schneller korrigieren. Das heißt nicht, dass nicht auch Fehler gemacht werden. Dazu kommt, dass Interim-Management in der Nachfolge noch eine weitere Chance bietet: Eigentümer:innen können in der gemeinsamen Reflexion daran arbeiten, eine Vision für die Zeit danach zu entwickeln. Das fängt im Privatleben an: Was mache ich eigentlich mit mir? Wenn diese Frage offenbleibt, führt es oft dazu, dass sich Eigentümer:innen zu lange ans Unternehmen und ihre Aufgabe festklammern – schließlich sind viele ja starke und aktive Unternehmerpersönlichkeiten. Bei Übergaben in der Familie muss man sich die Frage stellen, was eigentlich die Aufgaben und Rollen sind, die manan die nächste Generation übergeben kann. Andererseits gibt es aber vielleicht Aufgaben, die ich mir unbedingt behalten möchte. Über diese Fragen wird zu wenig gesprochen, weil Personen fehlen, die die Meta-Ebene einnehmen können.
Genau das bieten wir in unserer Kooperation gemeinsam an. Sie nehmen mit Ihrer ASK Management GmbH sehr stark und glaubhaft die Coachingrolle für Eigentümer:innen ein, Sie waren ja über 15 Jahre der CEO eines Milliardenkonzerns. Zugleich bringen wir als Management Factory unsere Stärken im Interim-Management ein und sorgen dafür, dass eine geeignete Persönlichkeit die operative Geschäftsführung übernimmt. Gemeinsam mit den Eigentümer:innen entwickeln wir viele Ideen, die dann in die operative Umsetzung gebracht werden.
Ich war einerseits 15 Jahre CEO eines Familienkonzerns, aber ich habe mich andererseits auch intensiv mit Fragen der Nachfolge beschäftigt. So konnte ich gemeinsam mit der Eigentümerfamilie viel an der Family Governance arbeiten. Das hat natürlich Vertrauen erfordert – aber das war da. Es braucht jemanden, der den Eigentümer:innen Dinge sagen kann, die sie vielleicht ungern hören, die aber trotzdem wichtig sind und ausgesprochen werden müssen. Wir alle wissen, dass das Management soziale Sanktionen erlebt, während die Eigentümer:innen solche Sanktionen nicht erfahren. Eigentümer:innen genießen ein ganz anderes Ansehen im Unternehmen . Deshalb passiert es viel seltener, dass Eigentümer:innen gesagt wird: Das kannst oder das sollst du nicht machen. Deshalb ist es gut, wenn eine externe Person mit den Eigentümer:innen daran arbeitet, wie der Übergabeprozess und die jeweiligen Rollen darin aussehen sollen, was mögliche Konsequenzen sind. Man arbeitet auch mit der nächsten Generation daran, was sie strategisch-inhaltlich und kulturell anders machen wollen. Die hat meistens schon ein sehr klares Bild davon, tut sich aber schwer, das umzusetzen, weil Änderungen als Affront gegenüber der vorherigen Generation gesehen werden könnten. Es ist das in der Tat ein großer Hebel, wenn man sich löst von der operativen Führung und sich für den Übergabeprozess freispielt.
Welchen Zeithorizont sollte man dafür einplanen?
Das kann ein halbes Jahr sein, das können aber auch zwei Jahre sein – es hängt oft von der jeweiligen Konstellation ab: Wie weit ist die nächste Generation schon? Ist das ein größerer Auswahlprozess, den man machen muss? Es hat einen großen Mehrwert, wenn man sich eingesteht, dass die Nachfolge die wahrscheinlich wichtigste Eigentümer:innen-Entscheidung ist, die man auf lange, lange Zeit zu treffen hat. Mit diesem Gedanken wird man der Größe der Aufgabe gerecht. Schließlich würde man doch auch bei jeder anderen wichtigen Entscheidung im Leben jemanden dazunehmen und solche Entscheidungen möglichst gut vorbereiten.
Bei wesentlich kleineren Entscheidungen sogar.
Nehmen wir nur das Beispiel Kindererziehung: Viele vertrauen darauf, dass sie es ohne Hilfe am besten machen, und ich nehme mich da selbst gar nicht aus! Aber wenn man ganz ehrlich ist, dann trifft man alleine nicht immer die besten Entscheidungen, gerade in sensiblen Phasen der Nachfolge. Und dafür ist ein Modell mit externen Begleiter:innen sehr hilfreich.
Kürzlich durften wir gemeinsam einen Nachfolge-Prozess in Österreich begleiten. Was ist Ihr Fazit nach ungefähr einem Dreivierteljahr, in dem wir das gemeinsam machen konnten?
Es hat sehr gut funktioniert! In diesem Unternehmen werden Entscheidungen, die normalerweise ohne oder mit wenig Reflexion getroffen werden, jetzt nochmal überprüft. Natürlich ist die Nachfolge gerade in Österreich immer eine ganz heikle Aufgabe. Denn man muss mitdenken, dass man als Eigentümer:in nicht nur das Unternehmen besitzt, sondern in der Regel auch dort wohnt, wo das Unternehmen seinen Sitz hat, die Unternehmerfamilie ist dort bekannt. Dann kann es die Aufgabe eines Externen sein, zu sagen: Möchtest Du wirklich einen wichtigen Schritt nicht tun, nur damit dieser Schritt keine Öffentlichkeitswirkung entfaltet? Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es braucht natürlich immer die Unternehmerpersönlichkeit, die das zulässt. In unserem gemeinsamen Fall handelt es sich um eine sehr außergewöhnliche, positive Unternehmerpersönlichkeit, die auch sehr reflektiert ist und sich mit den Dingen auseinandersetzt. In schwierigen Situationen gibt es kein Schwarz und kein Weiß, und kein genau richtig oder genau falsch. Aber im konkreten Fall sieht man nach ein paar Monaten, dass die Entscheidungen, die getroffen wurden, genau die richtigen waren. Das Unternehmen würde heute nicht dort stehen, wenn die Entscheidungen anders oder vielleicht gar nicht getroffen worden wären, weil man keinen echten Sparringspartner hatte, der oder die einen auch mal challenged in der eigenen Entscheidung. Oft gibt es im Umfeld von Unternehmer:innen auch Menschen, die diese Rolle übernehmen können. Das sind in der Regel Aufsichtsrät:innen oder Mentor:innen, die über die Jahre im Netzwerk entstanden sind. Aber nicht immer gibt es diese Personen. Und selbst, wenn es sie gibt, sind sie meist nicht darauf geschult, die Phase der Nachfolge zu begleiten und einen dabei zu coachen können. Man muss die Erfahrungen haben, mit diesen Dingen umzugehen, und gleichzeitig objektiv genug sein. Da gibt es kein „Standard-Modell“, das immer und für alle passt. Für eine Begleitung, wie wir sie anbieten, muss man sich natürlich öffnen, das hat mit Vertrauen zu tun. Wichtig ist, dass sich jemand öffnet und über persönliche Dinge wie etwa Managementfehler der Vergangenheit sprechen kann.
Das klingt schon fast wie die Arbeit eines Psychotherapeuten.
Psychotherapie ist es natürlich nicht, aber das Ganze hat auch solche Züge, denn Vertrauen ist essenziell. Wenn wir die Fragen der Nachfolge betrachten, dann ist es wichtig, dass eine kompetente Person hinzugezogen wird, die weiß, wovon sie spricht. Wenn jemand wie ich 15 Jahre in einem Familienkonzern gearbeitet hat und sich mit den Dingen intensiv auseinandergesetzt hat, dann ist vielleicht schon mal die Grundbasis für das Vertrauen da. Diese Basis muss natürlich in Gesprächen vertieft werden, schließlich muss ein externer Zugang Mehrwert liefern. Eine Partnerschaft wie jene zwischen der ASK Management und der Management Factory ist wertvoll. Die Management Factory ist in Österreich und darüber hinaus als Partner sehr anerkannt. Das ist wichtig, denn das eine ist die Beratung und die Durchführung eines Nachfolgeprojekts das andere aber ist die zweite wichtige Ebene, dass man loslässt und eine externe Person in die operative Führung lässt. Wenn man diesen Schritt geht, dann muss man sich darauf verlassen können, dass diese externe Person das auch kann. Deswegen glaube ich, dass unsere Kooperation viel Sinn macht.