„Der Vater erstellt´s, der Sohn erhält´s, dem Enkel zerfällt´s“. Viele Familienunternehmen scheitern an dieser viel zitierten Drei-Generationen-Regel. Grund sind oft unternehmerische oder betriebswirtschaftliche Probleme, aber auch ungelöste emotionale Spannungen, die sich über Generationen hinweg aufbauen. 1
Daniela A. Scherrer, Senior Family Business Consultant im Bankhaus Spängler beleuchtet in diesem Artikel die systemischen und psychologischen (Un)Tiefen der Unternehmensnachfolge in Familienbetrieben und stellt die sieben Bausteine einer guten Familienstrategie vor.
Wo liegen die Ursachen?
Familienunternehmen vereinen die drei Systeme Familie, Unternehmen und Eigentum. Jedes dieser Systeme weist eigene Logiken auf und erzeugt dadurch unterschiedliche Erwartungen, die zu Spannungen führen. Diese Spannungen können sich zu gefährlichen Konflikten entwickeln, wenn sie nicht zeitgerecht angesprochen und konstruktiv gelöst werden. Studien2 und wissenschaftliche Abhandlungen3 zeigen, dass Konflikte, die den Fortbestand von Familienunternehmen gefährden, ihre Ursache auch in nicht bearbeiteten emotionalen Themen haben.
Herausforderung Generationenfolge
Mit jeder neuen Generation verändert sich die Beziehung der Familie zum Unternehmen. Die Gründer:innen sind meist stark mit dem Unternehmen verbunden, ihre Vision ist klar und prägend. Doch mit der Weitergabe an die nächste Generation verliert sich oft die emotionale Nähe und der operative Einfluss. Gleichzeitig wächst die Familie, und aus den Gründer:innen werden Geschwister, dann Cousins und Cousinen, die das Unternehmen übernehmen sollen. Doch je mehr Mitglieder beteiligt sind, desto mehr divergieren die Werte und Interessen. Geografische Entfernung, unterschiedliche Lebensphasen und Ansichten verstärken diese Entwicklung. Ohne eine klare, gemeinsame Strategie kann die Handlungsfähigkeit des Unternehmens schnell gefährdet sein.
Unnötige Befindlichkeiten oder entscheidende Faktoren?
Für viele Unternehmer sind die „harten Fakten“ wie unternehmerische, rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen die ersten Orientierungspunkte in der Nachfolgeplanung. Die „weichen Faktoren“ wie emotionale und zwischenmenschliche Themen werden, wenn überhaupt, erst später berücksichtigt oder als Befindlichkeiten abgetan. Dabei sind gerade diese Aspekte entscheidend für das Gelingen der Nachfolge. Negative Emotionen entstehen meist durch gesellschaftlich tabuisierte Gefühle wie Neid oder Eifersucht. In Familien herrscht das Gleichheitsprinzip. Ungleichbehandlung zwischen Familienmitgliedern, beispielsweise bei Geschenken, wird als ungerecht empfunden. Unternehmen hingegen orientieren sich am Leistungsprinzip. Ungleichheiten entstehen, wenn Geschwister unterschiedliche Rollen übernehmen, beispielsweise als operativ tätige und nicht-operativ tätige Gesellschafter:innen. Für familienexterne Manager:innen wird es herausfordernd, wenn Kompetenzen von Familienmitgliedern nicht objektiv bewertet werden, Funktionen nicht adäquat ausgefüllt werden können und Schattenstrukturen entstehen, um Konfrontationen zu vermeiden. Solche Situationen erfordern Fingerspitzengefühl, eine klare Strategie und einen strukturierten Lösungsprozess.
Die sieben Bausteine einer guten Familienstrategie
Eine Familienstrategie bietet genau diesen strukturierten und idealerweise begleiteten Prozess, in dem belastende Themen offen angesprochen und gemeinsam mit allen Betroffenen Lösungen gefunden werden können. Im Idealfall umfasst die Familienstrategie sieben wesentliche Bausteine, die wie ein Kompass die Familie durch den Nachfolgeprozess leiten.
- Eigentümervision: Ausgangspunkt der Familienstrategie ist ein gemeinsames klares Bild von der Unternehmenszukunft. Diese gemeinsame Vision ist motivierend und bildet die Leitplanken für die strategische Ausrichtung des Unternehmens.
- Commitment: Erfolgreiche Familienunternehmen verfolgen den Grundsatz „Unternehmensinteressen vor Familieninteressen, und Familieninteressen vor Individualinteressen“. Dieses Bekenntnis führt zur Bereitschaft, gemeinsam als Unternehmerfamilie die Verantwortung für die Unternehmenszukunft zu tragen.
- Gesellschafterkompetenz: Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den langfristigen Erfolg von Familienunternehmen ist die Qualifikation der nächsten Generation. Es braucht nicht nur fachliches und betriebswirtschaftliches Wissen, sondern auch Verständnis für Familiendynamiken und Konfliktlösungsfähigkeiten. Bereits frühzeitig sollte die nächste Generation auf ihre Rolle als Gesellschafter oder auf mögliche Führungsfunktionen vorbereitet werden.
- Verbindliche Regeln: Die Unternehmerfamilie benötigt für ihre gemeinsame Kommunikation und Entscheidungsfindung eine auf sie zugeschnittene Organisation. Abhängig von ihrer Governance-Struktur, Größe, Generationenzahl und Grad der operativen Beteiligung der Familienmitglieder unterscheiden sich die Anforderungen an Kommunikation, Entscheidungsprozesse und Rollenverteilung. Die Unternehmerfamilie muss regeln, wie sie als Gesellschafterkreis agiert – beispielsweise durch einen Beirat oder Familienrat. Sie schafft damit die Grundlage für eine verbindliche und transparente Zusammenarbeit. Ein gemeinsamer Verhaltenskodex sorgt für ein konstruktives, langfristiges Miteinander und das nötige Vertrauen. Regeln sind insbesondere auch für den Außenauftritt der Familienmitglieder im Zusammenhang mit sozialen Medien ratsam. Regelmäßige Information, regelmäßige Familientage und anlassbezogene Familienversammlungen sind Instrumente für die notwendige Kommunikation und die Stärkung des Zusammenhalts.
- Ressourcen: Um die notwendige Gesellschafterkompetenz zu entwickeln und die Familie als Organisation wirksam zu gestalten, braucht es gezielt eingesetzte Ressourcen. Raum, Zeit und finanzielle Mittel für Ausbildungsmaßnahmen, Familientreffen, Organisation und externes Know-how sind keine verhandelbaren Extras, sondern Grundvoraussetzung für eine zukunftsfähige Unternehmerfamilie. Wer hier investiert, investiert in den langfristigen Erfolg des Familienunternehmens.
- Mut: Genauso wie sich Unternehmen im Zeitablauf weiterentwickeln, müssen sich auch die Unternehmerfamilien weiterentwickeln. Konflikte gehören zur Natur von Familienunternehmen, vor allem, wenn emotionale Themen auf unternehmerische Entscheidungen treffen. Die Fähigkeit, Spannungen zu erkennen und Konflikte konstruktiv zu lösen, ist eine Schlüsselkompetenz für den langfristigen Erfolg. Dazu gehört auch der Mut, Konflikte offen anzusprechen und nicht auf „Scheinharmonie“ zu setzen.
- Identität: Erfolgreiche Familienunternehmen bilden den Kern der Identität der Unternehmerfamilie. Das Unternehmen hält die Familie zusammen, und die Familie das Unternehmen. Deshalb sind gemeinsame Narrative und das gemeinsame Verständnis als Familie wesentlich, um als Kraftquelle für das Unternehmen wirksam zu werden.
Mehrwert für die Unternehmerfamilie
Eine klar definierte Familienstrategie bietet der Unternehmerfamilie Orientierung und Sicherheit in der sensiblen Phase der Nachfolge und wird idealerweise schon frühzeitig erarbeitet. Sie schafft einen gemeinsamen Rahmen, der hilft, Erwartungen abzugleichen und potenzielle Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen. Dadurch wird nicht nur das Risiko familiärer Spannungen reduziert, sondern auch der Zusammenhalt innerhalb der Familie gestärkt. Rituale wie zum Beispiel gemeinsame Familientage fördern die Identifikation und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Bei der Erarbeitung einer Familienstrategie wird besonders Augenmerk auf das Gewinnen und Onboarding der nächsten Generation gelegt. Transparente Kompetenzkriterien für den operativen Einstieg ins Unternehmen oder in die Rolle als Gesellschafter:in werden formuliert. Der Aufbau von Gesellschafterkompetenz erfolgt durch gezielte Qualifikationsmaßnahmen. Das kann durch Mentoring-Programme, Unterstützung durch einen Nachfolgebeirat, Vernetzung mit anderen aus der nächsten Generation und einen strukturierten Ausbildungs- und Nachfolgefahrplan erfolgen.
Mehrwert für familienexterne Geschäftsführer:innen
Für familienexterne Geschäftsführer bringt eine Familienstrategie Klarheit über Vision, Strategie, Grundsätze und Werte der Unternehmerfamilie. Dies ist ein entscheidender Faktor für eine vertrauensvolle, effektive und langfristige Zusammenarbeit. Durch klare Rollen, Verantwortlichkeiten und Entscheidungswege entsteht ein stabiles Umfeld, das allen Beteiligten Handlungssicherheit bietet. Zudem fördert die Familienstrategie ein besseres Verständnis für die familiendynamischen Hintergründe. Gerade in sensiblen Phasen der Zusammenarbeit kann sie den entscheidenden Unterschied ausmachen. Sie verhindert Missverständnisse und schafft die Grundlage für eine offene Kommunikation zwischen Unternehmerfamilie und familienexternen Geschäftsführer:innen.
Der Prozess ist entscheidend
Die Erarbeitung einer Familienstrategie ist ein Prozess. Das Ergebnis steht und fällt mit der Bereitschaft der Familienmitglieder, sich auf diesen Prozess einzulassen, die relevanten Themen offen anzusprechen, zu diskutieren und letztendlich als verbindlich zu akzeptieren. Alle Beteiligten sind dabei auch Betroffene. Damit sich jeder auf seine Rolle konzentrieren kann, ist eine externe Begleitung notwendig. Dies führt zu einer wesentlichen Entlastung und ermöglicht, dass sich alle Beteiligten auf Augenhöhe in den Prozess einbringen können. Gleichzeitig Betroffener und allparteilicher Moderator zu sein, ist ein nicht lösbarer Rollenkonflikt. So sparen alle Beteiligten Zeit und Energie, wenn das Auflösen von festgefahrenen Positionen einer dritten Person überlassen wird.
Klarheit schafft Vertrauen
Die emotionale Komponente der Nachfolge in Familienunternehmen ist keine Nebensache – sie ist zentral für ihr Gelingen. Eine gut entwickelte Familienstrategie schafft Klarheit, Transparenz und Vertrauen zwischen den Beteiligten. Allparteiliche Berater:innen, die die besonderen Dynamiken von Unternehmerfamilien beherrschen, bieten den geschützten Rahmen, in dem auch sensible Themen offen angesprochen und bearbeitet werden können. Das Ergebnis ist eine tragfähige Familienstrategie, die emotionale Konflikte reduziert und Sachkonflikte konstruktiv bearbeiten lässt. Damit wird die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gestärkt. Die Familienstrategie wird dokumentiert, regelmäßig an die Entwicklungen in Familie und Unternehmen angepasst und somit auch gelebt.
Die Familienstrategie wirkt wie ein Kompass, der Unternehmerfamilien und familienexterne Geschäftsführer sicher durch die komplexen Herausforderungen des Nachfolgeprozesses führt.
Daniela Scherrer ist Senior Family Business Consultant im Bankhaus Spängler. Als systemische Beraterin begleitet sie seit 20 Jahren Unternehmerfamilien bei den Herausforderungen rund um die Unternehmensnachfolge und Familienstrategie und engagiert sich für den Kompetenzerwerb der nächsten Generation im Rahmen der Spängler Family Business Academy.
Das Bankhaus Spängler ist die älteste Privatbank Österreichs in reinem Familienbesitz und ein Familienunternehmen in siebter Generation. Neben den beiden klassischen Geschäftsfeldern Private Banking und Finanzierung ist es seit zwei Jahrzehnten auf die Beratung von Unternehmerfamilien spezialisiert. Ein Experten-Team von erfahrenen systemischen Berater:innen, Organisationsentwickler:innen und Mediator:innen unterstützt Unternehmerfamilien dabei, die Zukunft von Familienunternehmen und ihrer Familien nachhaltig erfolgreich zu gestalten.
Weitere Informationen zur Familienstrategie finden Sie auf der Homepage: Family Management
Quellen:
1 Chiang, H./Yu, H. J. : Succession and corporate performance: the appropriate successor in family firms, Investment Management and Financial Innovations, (15,1), 2018.
2 Frank, H./Korunka, Ch./Lueger, M.(Hg.): Konfliktbewältigung in Familienunternehmen, Eine Studie des Forschungsinstituts für Familienunternehmen an der WU, Facultas, 2012.
3 Von Schlippe, A. /Rüsen, T.: Konflikte und Konfliktdynamiken in Unternehmerfamilien, Empfehlungen für den Umgang mit familiären Auseinandersetzungen, WIFU Stiftung, Praxisleitfaden, 2020 und Mismetti, M./Del Bosco B./Bettinelli, C./De Massis, A.:The anatomy of family business conflict, Journal of Family Business Strategy, (16,2), 2025.