Mag. Michael Geier-Wieser, Senior Manager der Management Factory, stellt einen aktuellen Praxisfall vor. Er zeigt, welche Schritte bei einer solventen Liquidation beachtet werden sollten und welche Fallstricke es dabei geben kann.
Solvente Liquidation erfolgreich durchführen
Immer wieder stellt sich die Frage, wie man sich von unwirtschaftlichen Segmenten (im Konzern) trennt. Eine Möglichkeit ist die außergerichtliche Liquidation.
In einem unserer bisherigen Newsletter wurde die Trennung von unwirtschaftlichen Segmenten im Konzernverbund thematisiert. Nach der Analyse der Stand Alone Fähigkeit (oder „Schotten-Dicht Prüfung“) gibt es vier Abwicklungsmöglichkeiten; erstens den Verkauf der Gesellschaft an einen Dritten, zweitens die Abspaltung, drittens die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und viertens die außergerichtliche Liquidation.
Stand Alone-Analyse: Festlegung der Exit-Strategie
Bei der Stand Alone-Analyse wird das krisenhafte Unternehmen bzw. Geschäftsfeld in Hinblick auf die folgenden Parameter analysiert:
- finanzwirtschaftliche Verflechtungen
- leistungswirtschaftliche Verflechtungen
- Change of Control-Klauseln
- Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften
Auf Basis dieser Informationen wird die finale Exit Strategie festgelegt. Nachfolgend schildern wir unsere Erfahrungen aus einem unserer aktuellen Praxisfälle:
Eine Muttergesellschaft eines Konzerns hat uns beauftragt, für eine seit Jahren verlusterzeugende Tochtergesellschaft (GmbH) Exit-Optionen zu evaluieren. Es handelte sich dabei um ein Handelsunternehmen mit dazugehörigen Servicedienstleistungen sowie einer eigenen Anlagensparte. Keine der drei Sparten konnte positive Ergebnisse erwirtschaften. Die Anlagensparte hatte zum Zeitpunkt der Analyse längerfristig laufende Implementierungsprojekte inklusive langfristiger Service- und Wartungsverträge. Die Gesellschaft beschäftigte rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Des Weiteren existierte seit Jahren eine zum Bilanzstichtag kündbare Verlustabdeckungszusage der Konzernmutter für diese Gesellschaft. Es waren keine wesentlichen leistungswirtschaftlichen Verflechtungen, keine Change of Control-Klauseln oder Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften vorhanden.
Obwohl kaum Verflechtungen zwischen Mutter und Tochter vorgelegen sind, konnte aufgrund der Verlustabdeckungszusage weder kurzfristig ein Verkauf durchgeführt werden, da kein Käufer die Verpflichtungen der Verlustabdeckungszusage übernehmen wollte, noch wäre eine Insolvenz möglich. Dies deshalb, weil die Insolvenz speziell im Anlagenbereich zu potenziell hohen Schadenersatzansprüchen von Kunden führen hätte können und somit zu noch höheren Abwicklungskosten. Ein Masseverwalter würde im Insolvenzfall die Garantie ziehen und somit eine Quote von 100 % erzielen. Im Ergebnis war die einzige verbleibende Alternative daher die solvente Liquidation der Gesellschaft.
Tipp: Sollten temporäre Haftungen für Tochtergesellschaften übernommen werden, um eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden, achten Sie darauf, dass diese Haftungen befristet sind und Kündigungsrechte vereinbart werden.
Vorbereitung und Analyse: Reduktion der Liquidationskosten
Kommt man also zum Schluss, dass eine solvente Liquidation die beste Lösung ist, so sind vorbereitende Handlungen zu treffen, wozu unter anderem die folgenden, zusätzlichen Analysen zählen:
a) Dauerschuldverhältnisse
In dieser Phase müssen sämtliche wesentliche Dauerschuldverhältnisse analysiert werden.
- Kundenverträge (Laufzeit, Kündigungstermine- und fristen, Pönalen, nachvertragliche Verpflichtungen etc.)
- Lieferantenverträge (Laufzeit, Kündigungstermine- und fristen, Abnahmeverpflichtungen etc.)
- Miet- und Leasingverträge (Laufzeit bzw. Kündigungstermine- und fristen; bei Mietverträgen auch etwaige Rückbauverpflichtungen etc.)
- Dienstverträge (Kündigungstermine- und fristen, besonderer Kündigungsschutz wie etwa im Fall von Personen mit Handicap, schwangeren Frauen, Betriebsratsmitgliedern, Präsenzdienern und anderen, Abfertigungsverpflichtungen, Urlaubsstände, Fringe Benefits wie Firmen-Kfz etc.)
Erfahrungsgemäß werden die übermittelten Daten nicht vollständig sein. Datenabgleiche mit der Buchhaltung oder dem Controlling und das Nachfragen an unterschiedlichen Stellen bzw. Gespräche mit vielen Personen im Unternehmen helfen, ein vollständigeres Bild zu bekommen. Bei vorhandenen elektronischen Freigabeprozessen (Bestellungen, Eingangsrechnungen etc.) macht es Sinn, sämtliche Transaktionen einsehen zu können, um schnell ein Gefühl für vorhandene Vertragsbeziehungen zu erhalten und um die Plausibilität der Vertragslisten querchecken zu können. Die Teilnahme am Freigabeprozess hilft eventuell, noch einzugehende langfristige Vertragsbeziehungen zu verhindern, um eine Liquidation nicht weiter zu erschweren.
Nach der Analyse der Dauerschuldverhältnisse kann man einen genauen zeitlichen Ablauf planen, der zeigt, welche Verträge zu welchem Stichtag gekündigt werden können. Auf dieser Basis ist auch eine effiziente Ressourcenplanung möglich.
b) Kernteam (Liquidationsteam)
Für die Liquidation ist es erforderlich, die Schlüsselkräfte zu identifizieren und frühzeitig in die Pläne miteinzubeziehen. Im Optimalfall werden vorab Vertraulichkeitsvereinbarungen mit den entsprechenden Beschäftigten abgeschlossen. Es ist auch wichtig, Retentionsprämien auszuloben, damit essenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zum Ende an Bord bleiben.
c) Finanzierungsbedarf
Nachdem alle Daten zusammengetragen wurden, kalkulieren wir von der Management Factory die solvente Liquidation in einem integrierten Modell, um den Finanzierungsbedarf bzw. die Gesamtbelastung zu berechnen. So werden bilanzielle Effekte simuliert, böse Überraschungen können vermieden werden (siehe dazu auch unseren Newsletter 01/2019 zur integrierten Finanzplanung). Der Business Plan stellt nicht nur eine nützliche Information für Entscheidungsgremien dar, sondern hilft auch dabei, sich frühzeitig mit Finanzierungsvarianten auseinanderzusetzen. Entsprechende Überlegungen können so auch in den Jahresabschluss einfließen. Für den Abschlussprüfer ist diese Information relevant, um beurteilen zu können, ob von einem Going Concern, also einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen werden kann und eine Ausfinanzierung plausibel ist.
d) Kommunikation
Neben einer fundierten Analyse ist es auch empfehlenswert, parallel an einem ausgereiften Kommunikationskonzept zu arbeiten. Neben Kunden- und Lieferantenbriefen müssen auch Betriebsversammlungen vorbereitet werden, um die Beschäftigten zu informieren. Weiters ist es empfehlenswert, ein Pressestatement in der Hinterhand zu haben, um im Falle von Medienanfragen rasch reagieren zu können. In manchen Situationen kann auch eine proaktive Öffentlichkeitsarbeit vorteilhaft sein. Die Management Factory greift hier in komplexen Settings in der Regel auf ihr Netzwerk von Kommunikationsberaterinnen und -beratern zurück.
Umsetzung der solventen Liquidation
Die Umsetzung der solventen Liquidation ist sicher eine der herausforderndsten Managementtätigkeiten, vor allem in den ersten Wochen nach Kommunikation des Liquidationsvorhabens.
a) Kommunikation: intern vor extern
- Beschäftigte: Die Geschäftsführung sollte das Liquidationsvorhaben persönlich kommunizieren, und zwar im Rahmen von Betriebsversammlungen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im Nachgang sollte es genug Raum für Fragen und Anmerkungen geben, Emotionen sollten auf jeden Fall zugelassen werden. Die Gründe für die Schließung sollten im Nachgang per E-Mail und/oder Aushang für die Beschäftigten nochmals kommuniziert werden, damit der „Flurfunk“ und allfällige Gerüchte nicht die Themenführerschaft übernehmen. Und natürlich müssen jene Beschäftigten, die bei den Betriebsversammlungen nicht anwesend waren, mit Infos versorgt werden.
- Kunden und Lieferanten: Wichtige A-Kunden und Lieferanten sollten am selben Tag gleich im Anschluss mündlich informiert werden. Die B- und C-Kunden und -Lieferanten sollten mittels Serienbriefe über die bevorstehende Schließung bzw. die Kündigung von Verträgen benachrichtigt werden.
b) Vertragserfüllung
- Offene Kundenaufträge müssen gemeinsam mit dem Team fertiggestellt werden oder Wege gefunden werden, aus den Verträgen vorzeitig wertschonend auszusteigen. In manchen Settings gibt es auch die Möglichkeit, Kundenaufträge zu verkaufen oder an Marktbegleiter ohne oder mit geringen Abschlagszahlungen weiterzugeben.
- Lieferanten könnten durch die Information verunsichert werden und nur noch gegen Vorauskasse liefern oder Lieferungen temporär oder zur Gänze einstellen. Daher ist es essenziell, in dieser Phase auf die pünktliche Zahlung von Rechnungen zu achten und auch Anfragen zeitnah zu beantworten. Wichtig ist es, in diesem Fall aktiv das Gespräch mit Kreditversicherern zu suchen, um transparent zu informieren und zu bestätigen, dass die Finanzierung gesichert ist. Hier kann es hilfreich sein, mit der integrierten Planung oder dem fundierten Projektplan für die Liquidation argumentieren zu können.
c) Mitarbeiter
- Sollten gewisse Schwellen an Kündigungen bzw. einvernehmlichen Auflösungsvereinbarungen innerhalb eines Monats überschritten werden, müssen gemäß § 45a Arbeitsmarktförderungsgesetz Meldungen an das AMS vorgenommen werden. Dabei ist eine Wartefrist von 30 Tagen zu beachten, die eingehalten werden muss, bevor Kündigungen oder einvernehmliche Auflösungsvereinbarungen ausgesprochen oder unterschrieben werden dürfen.
- Selbstredend wird man versuchen, möglichst vielen qualifizierten Beschäftigten im Konzern bzw. im Firmen-Netzwerk einen adäquaten Job anzubieten. Wenn das nicht machbar ist, sollten einvernehmliche Auflösungsvereinbarungen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgeschlossen werden. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, diese Verträge zum beidseitigen Vorteil auszugestalten. Diese Variante ist gegenüber einem langwierigen und für die Beschäftigten und das Unternehmen mühsamen Rechtstreit vorzuziehen. Teil dieser Auflösungsvereinbarungen kann die Finanzierung von Bewerbungs- und Karrierecoachings sein, welche im Unternehmen stattfinden, um proaktiv bei der Suche nach neuen Stellen zu unterstützen. Sollte ein Betriebsrat vorhanden sein, so kann der Betriebsrat den Abschluss eines Sozialplanes verlangen. Die Management Factory bezieht in der Regel Arbeitsrechtsspezialisten in die Analyse bzw. bei der Vertragsgestaltung mit ein.
Nachfolgend schildern wir einige Erfahrungen aus dem oben bereits skizzierten Praxisfall:
Die Verlustabdeckungszusage der Muttergesellschaft wurde zum ehestmöglichen Termin gekündigt. Darüber hinaus wurde zeitnah zum Stichtag der Jahresabschluss erstellt, testiert und im Firmenbuch publiziert.
Für die einzelnen Segmente (Handelsunternehmen, Servicedienstleistungen, Anlagensparte) wurden unterschiedliche Abwicklungsstrategien gewählt. Mangels langfristiger vertraglicher Verpflichtungen konnte im Bereich Handel das Geschäft sehr rasch eingestellt und heruntergefahren werden. Im Bereich Service wurden operativ turnusmäßige Wartungen so weit wie möglich nach vorne gezogen. Nur mehr ein kleines Team blieb, um potenzielle Störungen zu beheben. Verträge mit einer Restlaufzeit von sechs bis neun Monaten nach Liquidationsstart wurden mit dem Kunden einvernehmlich beendet. In der Regel mussten hier keine Abschlagszahlungen geleistet werden, sondern nur das vom Kunden vorausbezahlte Entgelt refundiert werden.
Im Anlagenbereich bestand die mit den Beschäftigten akkordierte Strategie darin, dass laufende verlusterzeugende Projekte innerhalb von sechs Monaten abgearbeitet und beendet werden, damit eine Lösung für die positiven langfristigen Wartungsverträge und verbleibenden Projekte gefunden werden kann. So stand ein Management Buy Out oder ein Verkauf an Dritte im Raum – nachdem die „Altlasten“ bereinigt wurden.
Leider konnte ein großvolumiger Servicevertrag nicht abgeschichtet werden, da der Kunde darauf bestand, dass dieser erfüllt werde. Die Restlaufzeit betrug noch etwa 20 Monate. Die Anlagenprojekte waren im Wesentlichen abgeschlossen, doch der langfristig laufende Servicevertrag erwies sich als bittere Pille: Aufgrund dessen war ein Verkauf der gesamten Gesellschaft nicht möglich.
Die Eigentümer wollten die Anlagensparte nicht fortführen, da keine Synergien mit dem profitablen Kerngeschäft des Konzerns vorhanden waren. Es musste aber zeitnah das Anlagengeschäft einer Lösung zugeführt werden, da für eine Fortführung dringend Entscheidungen bezüglich neuer Auftragseingänge getroffen werden sollten. Außerdem mussten für Kunden dringend benötigte Weiterentwicklungen und Change Requests wieder möglich sein.
Neuerliche Analysephase
Nachdem die Verlustabdeckungszusage rechtswirksam gekündigt werden konnte, änderten sich auch die Handlungsalternativen. Ab diesen Zeitpunkt war die Abspaltung bzw. der Verkauf einer abgespaltenen Gesellschaft möglich, da ein positiver Verkehrswert vorhanden war. Neben der gekündigten Verlustabdeckungszusage konnte nun auch ein Anlagen-Bereich gebildet werden, welcher aus einem kleinen Team bestand und mit gut dotierten Service- und Wartungsverträgen bereit für einen Neustart und Neukundenakquise war.
Nach rund neun Monaten gab es noch zwei Mitarbeiter für den Service-Bereich und sechs Beschäftigte im Anlagensegment sowie eine Teilzeitmitarbeiterin in der Buchhaltung (Overhead).
Um den Anlagen-Kunden weiterhin ein langfristig funktionierendes Produkt zur Verfügung zu stellen, welches weiterentwickelt und angepasst werden kann, wurden Gespräche mit zwei langgedienten Mitarbeitern aufgenommen, denen die Übernahme des Anlagen-Segments angeboten wurde. Nach einigen Gesprächsrunden konnte man sich auf die folgende, gemeinsame Lösung verständigen: Das Anlagengeschäft wurde im Zuge einer Spaltung in eine neugegründete Gesellschaft übertragen (Gesamtrechtsnachfolge) und dann an die zwei Mitarbeiter im Zuge eines Share Deals verkauft.
Im Konzern zurückgeblieben ist nur mehr eine Gesellschaft mit drei Mitarbeitern und einem verbleibenden großvolumigen Servicevertrag. Mit den verbliebenen Beschäftigten wurden frühzeitig einvernehmliche Auflösungsvereinbarungen geschlossen, sodass mit dem Auslaufen der Service-Vereinbarung die Abwicklung abgeschlossen werden konnte, da kein operatives Geschäft mehr vorhanden war.
Zusammenfassung
Eine Liquidation ist definitiv einer der herausforderndsten Management-Aufgaben, da alle Verträge beendet werden müssen, bevor eine Löschung des Rechtsträgers beim Firmenbuch beantragt werden kann. In der Anfangsphase ist ein gut durchdachter Plan unbedingt erforderlich. Es braucht auch ein schlagkräftiges und eng abgestimmtes Liquidationsteam, um die vielen parallel laufenden Arbeitsflüsse und Aufgabenpakete zügig abarbeiten zu können. Weiters ist es notwendig, die Liquidationsstrategie und den Fortschritt ständig zu überwachen, die Situation immer wieder neu zu evaluieren und die Strategie ständig anzupassen. Neben betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen und Herausforderungen ist es mindestens ebenso wichtig, Ansprechpartner und Coach für Beschäftigte und Kollegen im Führungsteam zu sein.
Wie wurde nun der von uns geschilderte Praxisfall abgeschlossen? Trotz der anfänglichen Enttäuschung haben die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr schnell neue Jobs und neue spannende Aufgaben gefunden. Die Abspaltung der Anlagensparte hat auch dazu beigetragen, Werte zu erhalten und langjährige Kunden nicht im Regen stehen zu lassen. Die neu gegründete Anlagengesellschaft konnte unseren Informationen zufolge schnell am Markt reüssieren.
Wie heißt es so schön? „In jedem Ende liegt ein neuer Anfang.“ (Miguel de Unamuno)
Haben Sie Fragen zur außergerichtlichen Liquidation? Die Management Factory hat schon zahlreiche solvente Liquidationen begleitet, wir führen gerne ein Erstgespräch mit Ihnen.
Weitere Lektüre zur Trennung von unwirtschaftlichen Segmenten im Konzernverbund finden Sie auch in unserem Newsletter-Archiv. In der Ausgabe 01/2018 wurden vier Abwicklungsmöglichkeiten beschrieben, die sich nach der Analyse der Stand Alone-Fähigkeit (oder „Schotten-Dicht-Prüfung“) ergeben: Neben der außergerichtlichen Liquidation sind dies der Verkauf der Gesellschaft an einen Dritten, die Abspaltung sowie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.