Mag. Reinhold Pfeifer, Geschäftsführer und Partner der Management Factory, geht der Frage nach, wie sich ein Konzern von Geschäftsbereichen trennen kann, die nachhaltig negative Ergebnisse aufweisen.


Trennung von unwirtschaftlichen Segmenten im Konzernverbund

Konzerne sind meist in verschiedenen strategischen Geschäftsfeldern tätig. Die Entwicklung der einzelnen Geschäftsfelder ist selten homogen. Wenn einzelne Geschäftsfelder in eine negative Ergebnissituation drehen und Restrukturierungsschritte nicht erfolgreich sind, besteht oft der Wunsch, sich von diesem krisenbehafteten Geschäftsfeld zu trennen.

1. Analyse der stand-alone-Fähigkeit des krisenbehafteten Geschäftsfeldes

Im ersten Schritt muss man analysieren, wie das entsprechende Geschäftssegment von anderen Teilen des Konzernes abhängig ist. Denn die Abhängigkeit beeinflusst die Art der Trennung wesentlich. Die Management Factory bezeichnet diese Analyse als Prüfung der stand-alone-Fähigkeit oder salopp als „Schotten-Dicht-Prüfung“.

Zu dieser Prüfung müssen vor allem folgende Sachverhalte analysiert werden:

  • finanzwirtschaftliche Verflechtung
  • leistungswirtschaftliche Verflechtung
  • change of control-Klauseln
  • allfällige Verletzung von Kapitalerhaltungsvorschriften

Analyse der finanzwirtschaftlichen Verflechtung

Die finanzwirtschaftliche Verflechtung zeigt auf, welche konzerninternen Kredit- und Haftungsverbünde bestehen. Als Analyseinstrument verwenden wir einen Kredit- und Haftungsspiegel sowohl des betroffenen Segmentes als auch der Konzernmutter. Damit machen wir mögliche finanzwirtschaftliche Verflechtungen transparent. Je höher die Verflechtung zwischen der Mutter und dem trennungswilligen Bereich sind, desto komplexer und langfristiger wird eine Trennung werden.

Analyse der leistungswirtschaftlichen Verflechtung

Die leistungswirtschaftliche Verflechtung zeigt auf, welche konzerninternen Kunden- und Lieferantenbeziehungen bestehen. Als Analyseinstrumente (?) setzen wir oft eine Intercompany-Matrix der Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zu einem Stichtag ein. Zudem kann das Wertkettenmodell von Michael Porter die strategische Relevanz bzw. Abhängigkeit im Konzern aufzeigen. Zuletzt dient die simple ABC-Analyse der Kreditoren und Debitoren dazu, die materielle Wesentlichkeit der Abhängigkeit zu erkennen. Auch hier gilt: Je höher die Verflechtung der Konzerngesellschaften mit dem krisenbehafteten Geschäftssegment sind, desto komplexer und langfristiger wird eine Trennung werden.

Analyse von change of control-Klauseln

Wenn der Verkauf des Geschäftsfeldes als Instrument der Trennung angedacht wird, empfiehlt sich die Überprüfung aller Verträge im Hinblick auf change of control-Klauseln. Solche Vertragsklauseln erlauben den Vertragspartnern den Ausstieg aus Verträgen, falls es zu einem Kontrollwechsel im Unternehmen kommt. Neben Finanzierungsverträgen sind vor allem Kundenverträge von solchen Klauseln betroffen.

Analyse der Verletzung von Kapitalerhaltungsvorschriften

Kapitalerhaltungsvorschriften sind gesetzliche Normen, die innerhalb von Konzernverbünden zwingend einzuhalten sind. Die Verletzung dieser Vorschriften hat fast immer eine große rechtliche Konsequenz, im Falle der Loslösung einer krisenbehafteten Tochtergesellschaft bekommt diese Verletzung auch eine große materielle Konsequenz. Dies vor allem deshalb, weil eine Verletzung einer Vorschrift fast immer mit Rückforderungsansprüchen an die Konzernmutter verbunden ist. Die Grundregel muss lauten: Besser vorab gründlich analysieren als anschließend zahlen. Außerdem ist diese gründliche Analyse besonders wichtig, um strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Hier die wichtigsten Kapitalerhaltungsvorschriften:

o Einlagenrückgewähr: Leistungs- und finanzwirtschaftliche Transaktionen zwischen Konzerngesellschaften müssen stets drittüblich sein. Das heißt konkret, dass Konzernleistungen nicht zu hoch verrechnet werden dürfen und Kreditgewährungen einer Konzerngesellschaft für eine Schwestergesellschaft nicht unüblich hoch sein dürfen. All diese Geschäfte müssen rückwirkend für zumindest fünf Jahre geprüft werden, da diese Geschäfte einlagenrückgewährend sein können, somit nichtig wären und rückabgewickelt werden müssten. Diese Verpflichtung zur Rückabwicklung ist absolut und nicht über vertragliche Regelungen abwendbar. Einlagenrückgewähr ist nicht nur im Krisenfall relevant, sondern entfaltet auch bei gesunden Unternehmensteilen dieselbe Wirkung. Sie gilt auch bei einem (späteren) Verkauf der Gesellschaft oder im Insolvenzfall. Daher ist diese Kapitalerhaltungsvorschrift besonders wichtig, denn wird sie nicht eingehalten, so kann dies später zu hohen Kapitalnachzahlungen seitens der Konzernmutter führen.

o Eigenkapitalersatz: Konzernmütter gewähren ihren krisenbehafteten Tochtergesellschaften oftmals Kredite oder stunden operative Verbindlichkeiten. Sofern diese Verbindlichkeiten nicht innerhalb der vereinbarten Fristen seitens der Tochtergesellschaften zurückbezahlt werden, unterliegen diese Verbindlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Eigenkapitalersatzrecht. Sie können somit bis zur Beendigung der Krise nicht mehr an die Mutter rückgezahlt werden, man spricht von der sogenannten Rückzahlungssperre von eigenkapitalersetzenden Darlehen im Krisenfall. Zu Unrecht erfolgte Rückzahlungen müssen von der Tochtergesellschaft zurückgefordert werden. Im Übrigen müssen auch die vereinbarten Fristen für die Rückzahlung drittüblich sein.

o Faktische Geschäftsführung: Wenn die Geschäftsführung der Konzernmutter beginnt, Führungsaktivitäten des krisenbehafteten Tochterunternehmens zu übernehmen, dann kann dieses Verhalten zu einer ungewollten Schuldübernahme der Konzernmutter führen. Dies kann dann der Fall sein, wenn massive Weisungen der Geschäftsführung der Konzernmutter an die Geschäftsführung des Tochterunternehmens erfolgen. Solche massiven Weisungen sind beispielsweise die Anordnung von Kündigungen, die Weisung, sich aus bestimmten Märkten zurückzuziehen oder die direkte Einflussnahme auf die Preisgestaltung bei Angeboten.

o Insolvenzverschleppung: Sollte beim krisenbehafteten Tochterunternehmen bereits seit längerem ein Grund für einen Insolvenzantrag vorliegen und die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft diesen Antrag nicht gestellt haben, so haftet die Geschäftsführung der krisenbehafteten Tochtergesellschaft für die Gläubigerschäden aus dieser Insolvenzverschleppung. Die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft ist gegenüber ihrer Konzernmutter weisungsfrei, was die Stellung eines Insolvenzantrags betrifft. Auch die kollektive Vertretungsbefugnis ist in dieser Frage außer Kraft gesetzt. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass jeder einzelne Geschäftsführer die Pflicht – aber auch die Kompetenz – zur Antragsstellung hat.

2. Erarbeitung und Bewertung der Trennungsoptionen

Sobald die oben ausgeführten Analysen der stand-alone-Fähigkeit erfolgreich abgeschlossen wurden, können im zweiten Schritt die Optionen der Trennung erarbeitet werden.

Hauptsächlich stehen folgende Optionen zur Verfügung:

  • Verkauf der krisenbehafteten Tochtergesellschaft an einen Dritten
  • Abspaltung der Tochtergesellschaft
  • Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die Tochtergesellschaft
  • Außergerichtliche Liquidation

Verkauf der krisenbehafteten Tochtergesellschaft an einen Dritten

Durch den Verkauf der Gesellschaft wird ein klarer Schnitt gezogen. Der Dritte kann unter Umständen ohne Vorbehalte andere Sanierungsschritte setzen. Es kann auch sein, dass dieser Dritte eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber wesentlichen Stakeholdern wie Lieferanten, Kunden oder Mitarbeitern hat. Auch könnte ein Dritter über zusätzliche Synergien mit seinem bestehenden Geschäft verfügen.

Die Kaufpreise sind aufgrund der Krisenbehaftung meist niedrig. Es ist oftmals klüger, mit dem Erwerber eine Kapitalerhöhung zu vereinbaren, um Anschlussinsolvenzen hintanzuhalten. Manchmal werden Besserungsklauseln vereinbart, die zu späteren Kaufpreis(nach)zahlungen führen. In unserer Praxis haben wir mit diesem Instrument allerdings keine guten Erfahrungen gemacht, weil die Messung des Erfolges von Besserungen für den Verkäufer schwierig bis unmöglich ist, da dieser keinen Einfluss auf das Unternehmen mehr hat.

Voraussetzung für einen Verkauf ist die klare leistungs- und finanzwirtschaftliche Trennbarkeit des Geschäftes, die proaktive Lösung der change of control-Fälle sowie die Vorab-Sanierung allfälliger Kapitalerhaltungsverletzungen. Damit die Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften gewährleistet ist, können auch Kapitalerhöhungen vor dem Verkauf dienen, man spricht von der sogenannten Mitgift des Verkäufers. Dem Käufer vertraglich zu garantieren, dass Rückforderungsansprüche ausgeschlossen sind, die aus der Verletzung von Kapitalerhaltungsvorschriften resultieren, ist übrigens rechtlich nicht durchsetzbar.

Ein überhasteter Verkauf ohne Prüfung der stand-alone-Fähigkeit des Geschäftsfeldes kann nachträglich zu immensen Problemen führen, beispielsweise zu Rückforderungsansprüchen der verkauften Gesellschaft an den Verkäufer.

Abspaltung der Gesellschaft

Sollte ein krisenbehaftetes Geschäftsfeld sich nicht in eigenen Gesellschaften befinden, sondern innerhalb einer Gesellschaft im Verbund mit gesunden Geschäftssegmenten, dann ist die Abspaltung einer Tochtergesellschaft oder von einzelnen Vermögensteilen eine der validen Optionen. Nachteilig wirkt sich in diesem Fall allerdings die zwingende Spaltungshaftung aus. Denn das gesunde Geschäftsfeld haftet weiterhin mit seinem Nettoaktivvermögen für Dauerschuldverhältnisse des abgespaltenen Teils. Solche Dauerschuldverhältnisse sind etwa Abfertigungsansprüche oder Verpflichtungen aus Kundenverträgen. Ist der krisenbehaftete Teil in einer eigenen, abgegrenzten Gesellschaft oder in einer Gruppe von Gesellschaften vereint, dann hat die Spaltung aufgrund der Spaltungshaftung meist mehr Nachteile als etwa der Verkauf der Gesellschaft.

Als Instrument für die Abspaltung der Gesellschaft wird die gesetzlich normierte Spaltungsbilanz eingesetzt.

Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens

Wenn das „cash-burning“ des krisenbehafteten Tochterunternehmens nur noch über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestoppt werden kann, sollte diese Maßnahme nicht per se ausgeschlossen werden. Insolvenzverfahren wie etwa ein Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung bieten zahlreiche Instrumentarien, zum Beispiel die außerordentliche Kündigung von unvorteilhaften Verträgen oder auch die Beendigung von Dienstverhältnissen.

Nachteile dieses Verfahrens sind zum einen die Publizitätswirkung des Verfahrens. Zum anderen kommt es bei den Gläubigern nur zu einer quotalen Bedienung von Gläubigeransprüchen; diese Gläubiger fallen somit um Ansprüche um, was die weitere Zusammenarbeit beinträchtigen kann. Zudem kann es zu Finanzierungsproblemen im Konzern kommen, wenn Banken einen Teilausfall ihrer Kredite erleiden und in anderen Konzernteilen weiter finanzieren sollen.

Ein weiteres Risiko stellen Verletzungen von Kapitalerhaltungsvorschriften dar, denn diese werden vom Insolvenzverwalter verfolgt und führen fast immer zu Nachzahlungen der Konzernmutter. Und nicht zuletzt kann es zu einem ungewollten Eigentümerwechsel kommen, falls der Gläubigerausschuss den konzerninternen Sanierungsplan nicht annimmt und ein Dritter eine höhere Quote als der eigene Konzern anbietet.

Als Instrument für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzen wir die spezialisierte Liquidationsbilanz für das Sanierungsverfahren ein.

Außergerichtliche Liquidation

Die geordnete Liquidation von krisenbehafteten Geschäftsbereichen ist im Konzern die wohl gängigste Sanierungsvariante. Der Geschäftsbereich wird außergerichtlich abgewickelt, indem die Konzernmutter für alle Verbindlichkeiten und Beendigungsansprüche geradesteht und im Gegenzug die Aktiva veräußert und den Veräußerungserlös lukriert.

Bei dieser Variante werden alle möglichen Verletzungen von Kapitalerhaltungsvorschriften saniert, da alle Gläubiger zu 100 % bedient werden. Die Publizitätswirkung hält sich meist in Grenzen, weil es zu keiner Gläubigerschädigung auf Ebene der Tochtergesellschaft kommt.

Auf der anderen Seite ist die außergerichtliche Sanierung meist die teuerste Sanierungsvariante. Zudem kann die Höhe des Kapitalerfordernisses am Beginn des Liquidationsprozesses noch nicht klar bestimmt werden, weil mögliche Beendigungsansprüche erst im Zuge der Schließung bekannt werden.

Als Instrument setzen wir hier die spezialisierte Liquidationsbilanz für die außergerichtliche Liquidation ein. Mehr dazu auch im Newsletter „Liquiditätskrisen außergerichtlich lösen“ 

Zusammenfassung

Konzerne neigen gerne dazu, insolvenzvermeidende Strategien bei der Lösung von krisenbehafteten Unternehmensteilen vorzunehmen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Wir empfehlen jedoch, vor einer Trennungsentscheidung alle Varianten samt Bewertung fundiert gegenüberzustellen.

Wichtig ist auch, die Kapitalerhaltungsvorschriften im Detail zu kennen, da der mögliche Rückforderungsanspruch stark in die Bewertung einfließt und insbesondere Verkauf oder Insolvenz unmöglich machen kann. Diese Gegenüberstellung ist schon alleine deshalb erforderlich, weil die Organe der Konzernmutter ihren Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft nachkommen müssen. Aus Sicht der Konzernmutter sollten hohe, teilweise unklare Kapitalbedarfe einer außergerichtlichen Liquidation gegenübergestellt werden. Die anderen dargestellten Trennungsoptionen sind zwar meist kapitalschonender, aber unter Umstände auch risikoreicher.

Die Management Factory unterstützt zahlreiche Konzerne bei der Analyse und Bewertung von Trennungsvarianten.