Executive Interim Management hat sich in vielen europäischen Ländern als wertvolles Instrument etabliert – besonders, wenn schnelle Lösungen und erfahrene Führung gebraucht werden. In Deutschland entwickelt sich der Markt weiter: professioneller, strategischer und mit stärkerer Nachfrage.

Thomas Tschol, Geschäftsführer der Management Factory, hat sich mit Robert Sadjak, Managing Partner bei Valtus Germany, ausgetauscht, um einen Einblick in die aktuelle Lage auf dem deutschen Interim-Markt zu gewinnen und um zu erfahren, wie deutsche Unternehmen ticken und welche Qualitäten in unserem Nachbarland von erfolgreichen Interim Manager:innen erwartet werden.

Wie würdest du die aktuelle Situation des Marktes für Executive Interim Management in Deutschland beschreiben? Ist die Nachfrage in den letzten Jahren gestiegen, und wenn ja, in welchem Tempo?

Der deutsche Interim Management-Markt hat sich trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Laut der DDIM (Dachgesellschaft Deutsches Interim Management) wenden sich Unternehmen zunehmend an Interim Manager:innen, um dringende Herausforderungen zu bewältigen, die sowohl fachliche Kompetenz als auch eine schnelle Umsetzung erfordern. Die AIMP-Marktstudie 2024/25 untermauert diese Einschätzung und prognostiziert, dass Interim Management seine Rolle als strategisches Führungsinstrument vor allem in Transformationsphasen weiter festigen wird.

Während die Wachstumsraten in den einzelnen Sektoren variieren, wird das jährliche Marktwachstum in Deutschland auf 5 bis 10 % geschätzt. Es wird erwartet, dass sich dieser moderate Aufwärtstrend bis 2025 fortsetzen wird, angetrieben durch die sich verändernden Geschäftsanforderungen und die zunehmende Komplexität der Unternehmensumgebungen.

Welche Rollen sind in Deutschland gerade besonders gefragt?

Im Mittelpunkt stehen weiterhin Führungspositionen – also echte Top-Management-Jobs. Rund 70  % der Einsätze betreffen C-Level-Positionen wie:

  • CFOs (Finanzleitung)
  • COOs (Operations / Lieferkette)
  • CEOs / Geschäftsführer
  • CHROs (Personal)

Früher waren Interim Manager:innen vor allem Lückenfüller:innen oder Krisenmanager:innen. Heute übernehmen sie oft Schlüsselrollen bei Transformationen, Fusionen oder Digitalisierungsvorhaben – das ist ein echter Wandel im Selbstverständnis.

Von welchen Branchen werden Interim-Manager:innen besonders nachgefragt?

Besonders in:

  • Maschinenbau
  • Automobilbranche
  • Rüstungsindustrie
  • Gesundheits- und Pharmasektor

Dort müssen Unternehmen mit viel Komplexität und ständigem Veränderungsdruck umgehen – und da helfen erfahrene Manager:innen auf Zeit enorm weiter.

Warum holen sich Unternehmen Interim-Führungskräfte?

Es gibt einige typische Gründe:

  • Umstrukturierungen oder Turnarounds
  • Digitalisierung oder kultureller Wandel
  • Nach einer Fusion oder Übernahme
  • In Krisen (z. B. Lieferketten, Produktion)
  • Bei schnellem Wachstum oder Internationalisierung

Kurz gesagt: Wenn es darauf ankommt, schnell und wirksam zu handeln – und intern niemand verfügbar oder passend ist – dann kommt ein Interim-Profi ins Spiel.

Was erwarten Unternehmen von Interim Manager:innen?

Ganz klar:

  • Sofortige Verfügbarkeit (meist innerhalb von ein bis zwei Wochen)
  • Viel Erfahrung – oft 15 Jahre und mehr in Führungspositionen
  • Schnelle Einarbeitung und Ergebnisse
  • Eigenständigkeit und pragmatische Herangehensweise

Die meisten Interim-Manager:innen sind um die 57 Jahre alt und bringen viel Praxiserfahrung mit. Was zählt: Reinkommen, Verstehen, Handeln – und das ohne lange Anlaufzeit.

Gibt es Besonderheiten in Deutschland, die den Einsatz beeinflussen?

Ja, ein paar Dinge:

  • Das Thema „Scheinselbstständigkeit“ sorgt manchmal für Zurückhaltung
  • Viele Unternehmen setzen lieber auf langfristige Lösungen oder interne Nachfolger
  • Im Vergleich zu Ländern wie Frankreich agieren deutsche Firmen oft vorsichtiger beim Einsatz externer Führung

Daher ist viel Aufklärungsarbeit nötig, um zu zeigen, dass Interim-Manager:innen echte Mehrwerte bringen und keine Notlösung sind.

Wie gut ist der deutsche Markt organisiert – gibt es genügend Anbieter und ein gutes Netzwerk?

Definitiv. In Deutschland gibt es ein gut strukturiertes Netzwerk im Bereich des Interim Managements:

  • Branchenverbände wie die DDIM fördern Professionalität und Standards
  • Es gibt viele spezialisierte Interim-Anbieter – für bestimmte Branchen und für Funktionsbereiche
  • Unternehmen setzen Interim-Management inzwischen strategisch ein – nicht nur im Notfall

Gerade im Mittelstand ist aber oft noch Überzeugungsarbeit nötig. Hier ist das Modell noch nicht so verbreitet. Aber bei Nachfolgeregelungen oder in Ausnahmesituationen werden Manager:innen auf Zeit auch hier immer öfter genutzt.

Unser Fazit

Das Gespräch von Thomas Tschol mit Robert Sadjak zeigt: Der Markt für Interim-Führung wächst in Deutschland langsam, aber stetig. Die Anforderungen steigen, aber auch die Chancen. Interim Manager:innen sind längst mehr als „Lückenfüller“ – sie bringen Erfahrung, Geschwindigkeit und frischen Blick in Unternehmen, wenn es wirklich darauf ankommt. Unternehmen können mit Interim Manager:innen Veränderungen aktiver und erfolgreicher gestalten.