Restrukturierung in China: Rechtliche Realitäten, Dynamik der Interessengruppen und die Rolle von Interim CFOs

Ein Interview mit Paul Mol, Interim CFO und Gründer von Mol & Partners

Valtus Alliance Partner Thaddaeus Mueller spricht mit Paul Mol darüber, wie Interim CFOs in Restrukturierungssituationen in Hongkong, Festlandchina und Südostasien navigieren – und wie regionale Rechtsrahmen, Erwartungen der Stakeholder:innen sowie lokale Umsetzungsrealitäten erfolgreiche Ergebnisse prägen.

Was macht den Rechtsrahmen für Insolvenz und Restrukturierung in China und Hongkong einzigartig?

Hongkong operiert nach einem Common-Law-System, ähnlich wie das Vereinigte Königreich. Es ist daher vergleichsweise gläubigerfreundlich und formal. Restrukturierungen erfolgen oft über Schemes of Arrangement oder außergerichtliche Einigungen. Es gibt jedoch kein direktes Pendant zu Chapter 11 in den USA. Ebenso existiert kein formales Debtor-in-Possession-Modell und kein Automatic Stay. In Hongkong hängt letztlich alles stark von der Kooperation der Gläubiger:innen ab.

Festlandchina hingegen folgt dem Enterprise Bankruptcy Law (EBL) von 2007. Obwohl das Gesetz konzeptionell modern ist, variiert die praktische Anwendung stark zwischen Provinzen und Gerichten. In einigen Gerichtsbarkeiten gibt es Pilotprogramme für Vorab-Restrukturierungen, die jedoch noch unterentwickelt sind.

In China spielen lokale Regierungen häufig eine informelle, aber entscheidende Rolle im Restrukturierungsprozess, insbesondere wenn Arbeitsplätze oder soziale Stabilität betroffen sind. Im Gegensatz zu Europa ist die rechtliche Vorhersehbarkeit gering, und weiche Faktoren wie Beziehungen („Guanxi“) sind oft genauso wichtig wie juristische Argumente.

Gibt es Äquivalente zu Schutzschirmverfahren oder frühe Restrukturierungsinstrumente wie das deutsche StaRUG oder Chapter 11?

In Hongkong ist das nächstliegende Instrument das Scheme of Arrangement. Dieses muss von der Mehrheit der Gläubiger:innen nach Anzahl und Forderungswert genehmigt und anschließend vom Gericht bestätigt werden. Allerdings bietet es keinen automatischen Schutzschirm wie Chapter 11 in den USA. Unternehmen müssen gesondert einstweilige Verfügungen oder eine vorläufige Liquidation beantragen, um Luft zu gewinnen.

Festlandchina verfügt über keinen robusten präinsolvenzlichen Restrukturierungsrahmen. Es gibt kein Äquivalent zu einem IDW-S6-Gutachten oder zum StaRUG. Einige Gerichte haben Vorab-Restrukturierungsmechanismen getestet, aber ohne Konsistenz und mit begrenztem gerichtlichen Schutz.

In der Praxis werden viele Restrukturierungen in China informell mit Banken, lokalen Behörden und Schlüssel-Lieferant:innen verhandelt. Der Prozess ist pragmatisch, aber weniger transparent, und er bietet wenig rechtliche Sicherheiten.

Erhalten Mitarbeitende in China und Hongkong während einer Insolvenz weiterhin Gehälter und Boni?

In Hongkong gelten Mitarbeitende als bevorrechtigte Gläubiger:innen und können zudem auf den Protection of Wages on Insolvency Fund (PWIF) zugreifen. Daher ein klares „Ja“: Ausstehende Löhne werden in der Regel ausgezahlt – jedoch mit gesetzlichen Höchstgrenzen.

In Festlandchina besitzen Arbeitnehmer:innenforderungen einen gesetzlichen Vorrang, aber die Durchsetzung variiert. In der Praxis wird die Sicherstellung laufender Gehaltszahlungen schnell zu einem sozialen und politischen Thema. Lokale Regierungen greifen häufig ein, um Unruhe zu vermeiden – insbesondere bei staatlich verbundenen oder großen Arbeitgebern.

Wie sichern Interim Manager:innen ihre Vergütung in Restrukturierungsfällen ab?

Entscheidend sind Mandatsstruktur und Klarheit. In Hongkong werden professionelle Honorare typischerweise durch vom Board genehmigte Engagements abgesichert, oft unterstützt durch die Zustimmung von Kreditgeber:innen oder Managementvereinbarungen.

In China ist dies komplexer. Interim-Manager:innen verhandeln häufig Meilenstein-basierte oder kurzfristige Verträge und beziehen lokale Rechtsberatung zur Absicherung ein. Die Auszahlung kann schwierig sein, wenn keine Mittel reserviert sind oder der Prozess sich in die Länge zieht. Daher muss der Einsatz von Interim Manager:innen in Festlandchina sorgfältig strukturiert werden.

Wie sieht das Restrukturierungsnetzwerk in der Südostasien aus?

Im Laufe der Jahre konnte ich in Greater China und Südostasien ein starkes Netzwerk aus Rechtsberater:innen, Wirtschaftsprüfer:innen, Restrukturierungsspezialist:innen, Aufsichtsbehörden und behördlichen Ansprechpartnern aufbauen. Das ist einer der Vorteile, wenn ein Interim-CFO früh eingebunden wird: Man bekommt nicht nur eine Einzelperson, sondern Zugriff auf ein erprobtes Netzwerk.

Dies ist besonders wichtig in China, wo informelle Einflussfaktoren oft stärker wirken als formale Autoritäten. Vertrauenswürdige Berater:innen, die wissen, wie man mit lokalen Gerichten, Regierungsbehörden und Banken umgeht, machen einen gewaltigen Unterschied.

Wie effizient ist die Zusammenarbeit zwischen Management, Gläubiger:innen und Gerichten in formalen Restrukturierungen?

In Hongkong ist sie strukturiert und relativ effizient – vorausgesetzt, juristische Unterstützung und Alignment der Gläubiger:innen sind gegeben. Die Gerichte arbeiten verlässlich, und der Prozess ist etabliert.

In China ist die Zusammenarbeit weniger institutionalisiert. Gläubiger:innen, insbesondere Banken, arbeiten oft mit lokalen Regierungen zusammen. Gerichte priorisieren häufig den Erhalt von Arbeitsplätzen vor Gläubigerrückgewinnung, vor allem in politisch sensiblen Branchen. Daher sind außergerichtliche Verhandlungen oft wichtiger als die formalen Verfahren.

Welche Rolle spielen die Beziehungen zu Banken in diesem Prozess?

Bankbeziehungen sind zentral. In Hongkong agieren Banken als Partner:innen, wenn Vertrauen besteht und ein tragfähiger Plan vorliegt. Ist die Kommunikation jedoch schwach oder die Glaubwürdigkeit erschüttert, können sie zum größten Hindernis werden.

In China verfolgen Banken einen konservativeren, staatlich geprägten Ansatz. Häufig folgen sie den Empfehlungen lokaler Regulator:innen oder Regierungsvertreter:innen. Frühe Einbindung und transparente Planung sind daher essenziell. Wenn Banken sich überrumpelt fühlen, eskaliert die Situation schnell.

Unterstützt die Regierung in Hongkong und China Unternehmen in der Krise durch Subventionen oder Hilfsprogramme?

In Hongkong ist die staatliche Intervention begrenzt. Einige COVID-Programme boten temporäre Entlastung, aber es existiert kein langfristiges Sicherheitsnetz für Unternehmen in Schieflage.

In China können lokale Regierungen eingreifen – das tun sie aber nur selektiv. Sie gewähren etwa Steuerstundungen, reduzieren Compliance-Druck oder vermitteln sogar zwischen Banken und Unternehmen, wenn ein Arbeitgeber für die lokale Stabilität wichtig ist. Dies ist jedoch nicht formalisiert und variiert stark.

Welche Rolle spielt der Interim CFO bei der Abstimmung der Stakeholder:innen und der Sicherstellung der Umsetzung?

In der Krise zählen Fakten – aber Alignment zählt noch mehr. Ein Interim CFO bringt Objektivität, Glaubwürdigkeit und Geschwindigkeit. Ich konzentriere in meiner Arbeit mich darauf, die Situation zu klären (Cashflow, Covenants, Gläubiger:innenpositionen), einen realistischen Aktionsplan zu entwickeln und die Umsetzung zu steuern.

Ebenso wichtig ist die Kommunikation zwischen allen Parteien, also zwischen lokaler Geschäftsführung, internationalem Headquarter, Banken, Prüfer:innen und Lieferant:innen. In Asien, wo kulturelle Unterschiede und Reporting-Standards variieren, ist diese Übersetzungsarbeit entscheidend. Man braucht jemanden, der Spreadsheets versteht und der gleichzeitig über ein sicheres Gespür für Dynamiken und Stimmungen verfügt.

Abschließender Gedanke: Was hast du aus Restrukturierungen in Asien gelernt?

Struktur ist wichtig, aber Kontext ist noch wichtiger. Jedes Land und jede Krise erfordert eine andere Mischung aus rechtlichen Prozessen, Verhandlungsgeschick und kultureller Kompetenz.

Ich habe gelernt, dass schnelle Maßnahmen, realistische Planung und Vertrauensaufbau überall zentral sind. Wie man diese Ziele jedoch erreicht – insbesondere in China – hängt von weit mehr ab als vom reinen Zahlenwerk. Es geht darum, gleichzeitig in formalen und informellen Systeme zu navigieren. Das macht Restrukturierungen in China herausfordernd – und spannend.