Restrukturierungen finden oft in jenen Phasen statt, in denen sich ein Unternehmen bereits in einer veritablen Krise befindet. Aus psychologischer Sicht gibt es dabei einige Handlungsempfehlungen: Psychotherapeutin DDr.in Silvia Dirnberger-Puchner ist Expertin für Wirtschaftsmediation, Krisenmanagement, Konfliktcoaching und Organisationsentwicklung. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, welche Fehler in schwierigen Krisen vermieden werden sollten, gerade auch im Bereich der Kommunikation.
Restrukturierungen finden oft in jenen Phasen statt, in denen sich ein Unternehmen bereits in einer veritablen Krise befindet. Aus psychologischer Sicht gibt es dabei einige Handlungsempfehlungen: Psychotherapeutin DDr.in Silvia Dirnberger-Puchner ist Expertin für Wirtschaftsmediation, Krisenmanagement, Konfliktcoaching und Organisationsentwicklung. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, welche Fehler in schwierigen Krisen vermieden werden sollten, gerade auch im Bereich der Kommunikation.
Frau DDr. Dirnberger-Puchner, was braucht es aus psychologischer Sicht, um ein Unternehmen erfolgreich aus der Krise zu „navigieren“?
Krisen können als eine Art „Kampf“ um die Kontrolle angesehen werden. Die Information zu Fakten, Zahlen oder etwaigen Perspektiven allein reicht nicht aus, es muss auf die Emotionen, die Affekte der Betroffenen eingegangen werden. Sämtliche Maßnahmen sollten dazu dienen, Unsicherheiten zu reduzieren und zu helfen, dass das Geschehene bestmöglich verstanden werden kann.
Was sind die häufigsten Fehler in der Krisenkommunikation?
Keine Zeit zu haben oder sich keine Zeit zu geben. Emotionen werden oft auch aus eigener Hilflosigkeit heraus ignoriert, man wird ungeduldig. In der Phase der Aggression werden oft Wut, Angriffe und Aggressionen persönlich genommen. In der Phase der Depression werden die Klagen oft nicht ausgehalten oder Trost ausgesprochen wo nichts trösten kann, Gefühle werden hinuntergespielt. Aber das sind nur einige wenige Beispiele, tatsächlich gibt es viele „Stolperfallen“ in der Krisenkommunikation.
Angenommen ich kommuniziere als Eigentümer, Geschäftsführer oder Führungskraft eine Maßnahme, die potenziell die Chance hat, beim ein oder anderen Mitarbeiter einen krisenähnlichen Zustand auszulösen. Wie kann ich diesen Prozess aktiv managen?
Grundsätzlich gilt: Man kann eine schlechte Nachricht nicht positiv überbringen, sondern nur rasch! Jede Information ist schnörkellos, direkt, ohne Beschönigung oder Verschonungstendenz zu übermitteln! Eine wichtige Regel: „Tell it all and tell it fast“. Die Detailinformation soll emotionslos, sachlich, knapp und ohne Ausschweifungen formuliert werden. Das Aufnahmevermögen von uns Menschen ist unglaublich begrenzt. Dadurch ist es wichtig, die Sachinformationen klar und eindeutig hinüber zu bringen. Nicht zu viele Erklärungs- oder gar Rechtfertigungsschleifen. In dieser Phase sind auch keine echten inhaltlichen Verhandlungen sinnvoll und möglich, weil sich der Empfänger in einem Ausnahmezustand befindet. Komplexere Zusammenhänge können nur beschränkt wahrgenommen werden. In Krisen neigen wir dazu, die Wahrnehmungselemente noch mehr zu verringern und komplexe Zusammenhänge stark zu vereinfachen. Wir filtern und vereinfachen das Geschehene mit den Sinnen, die uns zur Verfügung stehen. Der dem Informanten zugeschriebene Wahrheitsgehalt erhöht sich durch die Klarheit und Kompetenz der sachlichen Information. Meist ist die Fähigkeit zur intellektuellen Auseinandersetzung in Krisen massiv eingeschränkt. Und man sollte nicht vergessen: Gesagt ist nicht gleich gehört, gehört ist nicht gleich richtig gehört, und richtig gehört heißt noch nicht verstanden und schon gar nicht einverstanden sein!
Aus der Sicht einer Führungskraft. Wie erkenne ich einen sich anbahnenden Krisenzustand bei einem Mitarbeiter? Und noch wichtiger, gibt es einen Zeitpunkt oder ein Stadium, ab dem ich jedenfalls einen Experten hinzuziehen sollte?
Symptome und Verlauf einer Krise sind grundsätzlich ganz individuell! Typischerweise entsteht eine innere Anspannung, die häufig als Unruhe oder Nervosität wahrgenommen wird. Auch andere körperliche Symptome wie Schwitzen, Hitzegefühle, Kopfschmerzen, Angst und Panik treten auf. Der Mensch wirkt labil, der kleinste Anlass reicht aus, um den Zustand weiter zu verschlechtern. Im Denken werden Menschen und Situationen undifferenziert wahrgenommen, die Betroffenen sehen die Welt nur mehr schwarz-weiß. Die Gedanken drehen sich wie ein Karussell um dieselben wenigen Dinge. Das Denken ist eingeengt, Handlungsalternativen oder Möglichkeiten für die Zukunft können nicht wahrgenommen werden. Zudem leiden die meisten unter Konzentrationsschwierigkeiten, Lern- und Leistungsproblemen. Oft flüchten sie in eine Traumwelt. Im Verhalten macht die Krise den Betroffenen desorganisiert und fahrig. Handlungen sind sprunghaft und unkoordiniert, teilweise wird aggressives Verhalten sichtbar, verbunden mit sozialem Rückzug.
Was kann man als Unternehmer oder Führungskraft tun?
Als erstes sollten Schutzmöglichkeiten bedacht werden, um die physische und psychische Gefahr zu minimieren. Professionelle Hilfe sollte auf jeden Fall dann in Anspruch genommen werden, wenn Sie selbst ein Gefühl der Ohnmacht wahrnehmen oder wenn Menschen akut bedroht sind!
Insgesamt scheint Kommunikation der Schlüssel zur Bewältigung zu sein. Was braucht es sonst noch um richtig zu handeln?
Einen konstruktiven Umgang mit Gefühlen! Das ist in Krisensituationen leider nicht ganz so leicht. Insbesondere in Organisationen werden jedoch manche Gefühle eher tabuisiert und andere eher erwünscht. Grundsätzlich verarbeiten Menschen tiefgreifende Veränderungen, auch positive, nach einem ähnlichen emotionalen Prozess und durchlaufen dabei bestimmte Grundgefühle. Ich werde Ihnen einige dieser grundlegenden Gefühlsmechanismen aufzählen:
- Denken und Fühlen sind untrennbar miteinander verbunden.
- Das Organ unserer Gefühle ist unser Körper. Gefühle fühlen sich „überall“ an — dies schlägt sich auch in der Sprache nieder: So sprechen wir etwa von Dröhnen im Kopf oder von weichen Knien.
- Gefühle sind Motor und Bremser des Denkens: Intensive Gefühle wie Freude, Wut erhöhen Tempo, gedämpfte Gefühle wie Angst, Trauer verlangsamen das Tempo.
- Unsere Gedanken werden durch unsere Gefühle maßgeblich beeinflusst und „gefärbt“. Diese Gedanken erzeugen wieder neue Gefühle. Dadurch entstehen Aufwärtsspiralen bzw. Abwärtsspiralen.
- Unsere Gefühle fokussieren unsere Aufmerksamkeit. Wenn ich die Welt „rosa“ sehe, nehme ich andere Dinge wahr, als wenn ich „rot“ sehe.
- Gefühle schaffen Denk-Hierarchien und bestimmen das Speichern bestimmter Denkinhalte. Gefühlsmäßig stark gefärbte Situationen bleiben stärker in Erinnerung, etwa der superschöne Urlaub, das superpeinliche Gespräch, das superärgerliche Projektmeeting.
- Gefühle ziehen wie ein Magnet bestimmte Gedanken an und stoßen andere ab. Wenn ich Angst habe, bin ich viel aufnahmefähiger für Gedanken und Informationen, die meine Angst nähren. Wenn ich mich ärgere, kann ich etwas Anderes gar nicht wahrnehmen.
- Gefühle kennen keine Zeit, sie kommen auch, wenn es nicht passend scheint.
- Gefühle sind ansteckend. Wenn wir längere Zeit mit jemanden sprechen, der ängstlich oder ärgerlich ist, dann werden wir gar nicht vermeiden können, dass wir uns ähnlich gestimmt fühlen.
Verlassen wir das Thema der Krisenkommunikation. Die Bedeutung des Feedbacks wird immer häufiger hervorgehoben. Warum ist das so wichtig?
Schaut man sich Studien und Umfragen unter Mitarbeitern an, scheint es mit konstruktiver Rückmeldung zur Person, aber auch zu den Leistungen der Mitarbeiter nicht allzu weit her zu sein: Feedback werde zu selten, falsch oder von den falschen Personen gegeben. Die Folgen können verheerend sein, schließlich gehört regelmäßige Rückmeldung zu den wichtigsten Faktoren, die Mitarbeiter im Unternehmen halten. In meinen eigenen Studien wurde sichtbar, dass das Feedback eine unmittelbare Auswirkung auf die psychosoziale Gesundheit der MitarbeiterInnen hatte. Im Kampf um gute, motivierte MitarbeiterInnen sollten Unternehmer, Manager und andere Führungskräfte eine Feedbackkultur einführen, die orientiert und den Einzelnen sowie das Team zu besserer Leistung animiert. Regelmäßige Rück- und Statusmeldungen sind von immenser Wichtigkeit. Dabei habe ich festgestellt, dass die meisten Menschen Lob oder Kritik mit Feedback verwechseln. Das ist jedoch nicht ident.
Das heißt, viele Feedbacks sind de facto keine. Wie gibt man also konstruktiv Feedback, welche Regeln sind hier zu beachten?
Ein Feedback ist ein Geschenk und teilt dem Feedbacknehmer mit wie es dem Feedbackgeber mit dem Verhalten oder Handeln des Feedbacknehmers geht. Es ist niemals bewertend, sondern beschreibend. Es beinhaltet persönliche Empfindungen und Gestimmtheiten, ist klar, eindeutig und orientierend. Feedback ist immer der Ausdruck einer subjektiven Wahrnehmung. Am Ende eines Feedbacks weiß der andere Mensch jedoch, wie er selbst oder das, was er tut, auf sein Gegenüber wirkt – was es also mit dem Feedbackgeber macht. Der erste Schritt ist jedoch nicht, richtig Feedback zu geben, sondern eine emotionale Grundlage zu etablieren, auf der Feedback auf einem fruchtbaren Boden fällt. Richtiges Feedback ist die Königsdisziplin in der Kommunikation. In einer Feedbackkultur ist es zuerst nötig, das Feedback zu entmystifizieren, zu lernen, keine Be- oder Abwertung der Person vorzunehmen und dafür zu sorgen, dass ein schneller, effektiver und vor allem menschlicher Dialog in Gang gesetzt wird. Die Wirkung für die Gesamtorganisation kann Feedback dann entfalten, wenn es selbstverständlich geworden ist, dass es einen Austausch von persönlichen Wahrnehmungen gibt.
Klingt sehr diplomatisch. Jetzt gibt es aber auch Situationen, in denen ein Fehlverhalten ganz bewusst angesprochen werden soll. Was dann?
Ja, die gibt es. Ich unterscheide ein positives oder negatives Feedbackgespräch von einem Kritik- oder Lobgespräch. Bei einem Fehlverhalten eines Mitarbeiters ist es nötig, korrigierend einzugreifen und konkret das Verhalten des Mitarbeiters zu bewerten sowie die Soll-Situation klar und eindeutig einzufordern. Es wird natürlich auch über Unterstützungsangebote gesprochen, die helfen können, das gewünschte Verhalten zu erzielen. Zum Schluss des Kritikgesprächs wird auch über Konsequenzen gesprochen, die gesetzt werden, falls das gewünschte Verhalten nicht eintritt.
Eine besonders herausfordernde Gesprächssituation ist das Kündigungsgespräch. Aus der Sicht einer Kommunikationsexpertin, was gibt es hier zu beachten?
Kündigungs- oder Trennungsgespräche führt der unmittelbar Vorgesetzte, am besten im Büro dieses Vorgesetzten, damit es ungestört verlaufen kann. Und möglichst nicht in einem Bereich, der auch für andere einsehbar ist. Dieses Gespräch sollte im Optimalfall unter vier oder sechs Augen stattfinden. Die Botschaften sollten klar und in Ich-Form kommuniziert werden. Wichtig ist auch, dass diese nicht auf andere abgewälzt werden, indem man sich etwa auf KollegInnen oder „das System“ beruft. Die Kündigungsgründe sollten möglichst nahe an der Wahrheit liegen. Es muss klar werden, dass die Kündigung endgültig und nicht umkehrbar ist, nicht diskutiert werden kann. Was die zeitliche Dimension betrifft, so sollte das Gespräch bald nach der Entscheidung geführt werden, jedoch auch gut vorbereitet sein – die ersten Sätze sollten genau ausformuliert werden. Der Termin sollte so gewählt werden, dass die gekündigte Person nicht unmittelbar danach weiterarbeiten muss. Da die Aufnahmefähigkeit des Gekündigten bei solchen Gesprächen meist begrenzt ist, kann das erste Trennungsgespräch relativ kurz ausfallen. Es dauert oft nur zehn bis fünfzehn Minuten, zeitnahe Folgegespräche während der kommenden Tage sollten als Unterstützung angeboten werden. Im Anschluss an das Trennungsgespräch sollten jedenfalls auch KollegInnen so bald als möglich informiert werden. Um Unruhe im Team zu vermeiden, sollte das Gespräch ohne großartige Vorankündigung angesetzt werden. Wichtig ist bei allen Gesprächen in Krisensituationen, dass man trotz des Zeitdrucks allen Akteuren und Gesprächspartnern wertschätzend begegnet.
Ihr abschließendes Resümee?
Für eine gelungene Restrukturierung muss neben dem klaren Fokus auf Zahlen und Fakten auch auf die Emotionen der Betroffenen eingegangen werden. Das schafft Raum für konstruktive Veränderungen, die nicht nur dem Unternehmen, sondern auch den Betroffenen einen erfolgreichen Neubeginn ebnen können.
Vielen Dank für das Gespräch!
—