Mit 17. Juli 2021 ist die neue Restrukturierungsordnung neben die bestehende Insolvenzordnung (IO) getreten. In diesem Newsletter fassen wir die wichtigsten Neuerungen zusammen und berichten, wie die Gläubiger eine von der breiten Mehrheit mitgetragene Sanierung künftig auch gegen den Widerstand von Akkordstörern umsetzen können – die Mehrheit „schafft an“.
Status quo der österreichischen Restrukturierungspraxis
Außergerichtliche Restrukturierungen wurden bisher in Österreich stets auf konsensualer Basis mit den betroffenen Anteilseignern, Vertragspartnern und insbesondere Gläubigern erarbeitet. Dabei wurde die Umsetzung des Sanierungsplans auf privatautonomer Basis sichergestellt, indem eine einvernehmliche Reorganisationsvereinbarung innerhalb der Grenzen des zwingenden Rechtes mit den betroffenen Stakeholdern getroffen wurde.
Diese Reorganisationsvereinbarung umfasste dabei unterschiedlichste Maßnahmen, von einfachen Stundungen über Schuldenerlässe der Gläubiger oder Kapitalzuschüsse der Anteilseigner bis hin zu Anteilsübertragungen.
Auf Basis der bisher geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich konnten allerdings Gläubiger eine Sanierung blockieren, selbst dann, wenn die Mehrheit den Sanierungsplan mitträgt. Die Motive dieser dissentierenden Gläubiger, auch „Akkordstörer“ genannt, können vielfältig sein. Manchen mag es darum gehen, Sondervorteile für sich herausschlagen, andere divergieren in ihrer Einschätzung der Durchsetzung der eigenen Sicherheiten oder haben schlicht emotionale Beweggründe für ihre Störhaltung. In jedem Fall kann das Agieren der „Akkordstörer“ Sanierungen erheblich behindern oder Verhandlungen darüber zur Gänze blockieren.
Falls eine außergerichtliche Lösung aufgrund dessen nicht erreichbar erscheint, konnten Schuldner schon bisher auch den Weg einer gerichtlichen Sanierung unter dem Regime der Insolvenzordnung („IO“) einschlagen.
Mit der neuen Restrukturierungsordnung („ReO“) versucht der österreichische Gesetzgeber, die bestehende Lücke zwischen einer konsensualen außergerichtlichen Sanierung und einem Insolvenzverfahren zu schließen und dabei das Blockadepotenzial einzelner Gläubiger zu überwinden.
Einführung der neuen Restrukturierungsordnung
Die neue Restrukturierungsordnung ist die mit Spannung erwartete Umsetzung einer EU-Richtlinie (Restrukturierungsrichtlinie EU 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen), welche vor zwei Jahren in Kraft trat. Ziel dieser EU-Richtlinie war es, europäische Mindeststandards für ein präventives Restrukturierungsverfahren zu schaffen. So sollte Unternehmen, die in Schieflage geraten, in einer möglichst frühen Phase und somit vor Eintritt der materiellen Insolvenz eine außergerichtliche Sanierung ermöglicht werden. Denn erfahrungsgemäß sind Sanierungschancen am größten, wenn solche Verfahren möglichst früh in Angriff genommen werden.
Die neue Restrukturierungsordnung tritt mit 17. Juli 2021 neben die bestehende Insolvenzordnung (IO). Sie tritt somit gerade pünktlich in Kraft, nachdem Ende Juni die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beziehungsweise die Stundungen von Steuern und Abgaben im Rahmen der Coronavirus-Hilfen ausgelaufen waren.
Die neue ReO auf einen Blick
Die neue ReO soll Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, eine Stundung oder Kürzung von Verbindlichkeiten bei gleichzeitiger Eigenverwaltung umzusetzen. Voraussetzung dafür ist ein Restrukturierungsplan im Rahmen eines außergerichtlichen Verfahrens, dem eine bestimmte Mehrheit der in Klassen einzuteilenden Gläubiger zustimmt. Die Restrukturierung kann somit auch gegen den Widerstand von Akkordstörern umgesetzt werden – die Mehrheit „schafft an“.
Welche Mehrheiten erforderlich sind, haben wir in der nachfolgenden Grafik unter Punkt V dargestellt: Wird pro Gläubigerklasse eine Summenmehrheit von 75 % sowie zusätzlich eine einfache Kopfmehrheit erreicht, ist der Restrukturierungsplan für sämtliche davon betroffenen Gläubiger bindend. Falls nicht in jeder Klasse die genannten Mehrheiten erreicht werden, ist eine gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans dennoch möglich. Für den sogenannten „Cram-down“ muss zumindest eine Mehrheit aller „im Geld“ befindlichen Klassen zugestimmt haben, für den „klassenübergreifenden Cram-down“ muss eine Mehrheit der Klassen inklusive der besicherten Gläubiger zugestimmt haben.
Die nachfolgende Grafik gibt einen exemplarischen Überblick über den Verfahrensverlauf eines „regulären“ Restrukturierungsverfahrens nach der ReO. Festzuhalten ist, dass die Anordnung einer Vollstreckungssperre (Punkt II) und die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten (Punkt III) als optionale Verfahrensschritte anzusehen sind. Außerdem kann die Vorlage des Restrukturierungsplans (Punkt IV) bei entsprechender Vorbereitung bereits bei Antragsstellung erfolgen.
I. Verhandlungen, Antragstellung und Veröffentlichung des Verfahrens
Die Einleitung des Verfahrens setzt die „wahrscheinliche Insolvenz“ des Schuldners voraus. Diese Voraussetzung ist insbesondere dann erfüllt, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht oder die Kennzahlen des Unternehmensreorganisationsgesetzes auf eine „wahrscheinliche Insolvenz“ hindeuten (laut „URG“ Eigenmittelquote unter 8 % und fiktive Schuldentilgungsdauer über 15 Jahren).
Das Verfahren steht grundsätzlich allen Unternehmen offen. Ausgenommen sind allerdings Unternehmen der Versicherungs- und Finanzwirtschaft.
Der Antrag auf die Einleitung des Restrukturierungsverfahrens kann jedenfalls nur durch den Schuldner beim zuständigen Landesgericht erfolgen, in Wien ist es das Handelsgericht. Dabei behält der Schuldner im Verfahren ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über sein Vermögen und den täglichen Betrieb seines Unternehmens.
Durch die Antragstellung entfällt auch die Haftung nach § 22 Abs. 1 URG, zumindest dann, wenn die Unternehmensleitung auf Basis eines Berichtes des Abschlussprüfers über die Vermutung eines Reorganisationsbedarfs unverzüglich ein Restrukturierungsverfahren einleitet.
Dem Antrag auf Verfahrenseinleitung sind die Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre, ein Vermögensverzeichnis, ein Finanzplan für zumindest 90 Tage und der Restrukturierungsplan beizulegen. Alternativ zu einem detaillierten Restrukturierungsplan ist zunächst auch ein Restrukturierungskonzept mit einem Mindestinhalt ausreichend, welches in weiterer Folge innerhalb einer Frist von höchstens 60 Tagen mithilfe eines Restrukturierungs-beauftragten zu einem Restrukturierungsplan auszuarbeiten ist.
Um die Stigmatisierung einer Insolvenz zu vermeiden, soll das Restrukturierungsverfahren nur auf Wunsch des Schuldners in der Ediktsdatei veröffentlicht werden. Eine Veröffentlichung hat jedoch zum Vorteil, dass die Gerichtsentscheidungen eines solchen öffentlichen Verfahrens in der gesamten EU anzuerkennen sind.
II. Vollstreckungssperre zur Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen
Der Schuldner kann zur Unterstützung der Verhandlung über den Restrukturierungsplan eine drei- bis sechsmonatige Schonfrist in Form einer Vollstreckungssperre erwirken. Diese kann für alle oder nur für bestimmte Gläubiger gelten, wobei eine allgemeine Vollstreckungssperre nur bei Veröffentlichung des Verfahrens gilt.
Während dieser Vollstreckungssperre ruht die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung. Ebenso wenig kann aus diesem Grund ein Insolvenzverfahren durch die Gläubiger eröffnet werden. Tritt hingegen die Zahlungsunfähigkeit ein, so soll die Vollstreckungssperre ein Insolvenzverfahren nicht mehr zwingend verhindern. Eine entsprechende Einsichtnahme in Exekutionsdaten hat vor der Anordnung einer Vollstreckungssperre durch das Gericht zu erfolgen.
Darüber hinaus beschränkt die Vollstreckungssperre die Möglichkeit zur Beendigung oder Änderung noch zu erfüllender Verträge. So können wesentliche Vertragspartner (z.B. Vermieter oder Leasinggesellschaft) während der Vollstreckungssperre die für den Betrieb erforderlichen Verträge nicht aufgrund von Zahlungsrückständen abändern, auflösen oder fällig stellen. Auch darf die Leistung aufgrund der Restrukturierung nicht verweigert werden. Ansprüche auf die Auszahlung von Krediten sollen hingegen nicht von der Auflösungssperre erfasst werden. Dem Kreditgeber steht bei diesen Geschäften daher weiterhin das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wegen Vermögensverschlechterung zu. Dadurch soll verhindert werden, dass der Schuldner eine offene Kreditlinie bzw. einen Betriebsmittelkredit abrufen kann.
Umgekehrt unterliegen auch im Restrukturierungsverfahren avisierte Kündigungen oder Abänderungen von Verträgen den Bestimmungen des Vertragsrechts, womit neben den vertraglich vereinbarten Kündigungs-gründen ausschließlich einvernehmliche Lösungen mit den Vertragspartnern gefunden werden können.
Festzuhalten ist, dass der Gläubiger an der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht materiell-rechtlich, sondern nur prozessual gehindert wird. Insofern bleiben die betroffenen Forderungen weiter fällig und Verzugszinsen laufen auf. In der Restrukturierungspraxis könnte dies unter anderem bedeuten, dass Aussonderungsansprüche zwar grundsätzlich von der Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens unberührt bleiben, die Vollstreckungssperre jedoch dazu führt, dass der Gläubiger eine Verzögerung bei der Ausfolgung seines Gutes hinnehmen muss.
Die spätere Sanierungspraxis wird zeigen, ob ein Restrukturierungsverfahren nach der neuen ReO nicht stets mit der Beantragung einer Vollstreckungssperre in Angriff genommen wird.
III. Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten
Das Restrukturierungsverfahren soll grundsätzlich in Eigenverwaltung erfolgen. Diese Eigenverwaltung kann jedoch durch das Gericht oder die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten eingeschränkt werden.
So ist ein Restrukturierungsbeauftragter durch das Gericht dann zu bestellen, wenn eine Vollstreckungssperre angeordnet wird, die Mehrheit der Gläubiger dies beantragt oder es zu einem klassenübergreifenden „Cram-down“ kommt (Details zu „Cram-down“ siehe Punkt VI). Das Gericht hat weitere Möglichkeiten, einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen, unter anderem wenn Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. In der Praxis wird es daher nur selten ein Verfahren ohne einen Restrukturierungsbeauftragten geben.
Auch die Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten hat das Gericht festzulegen und kann ihm dabei für die Dauer der Restrukturierungsverhandlungen insbesondere folgende Aufgaben übertragen:
- die Unterstützung bei der Ausarbeitung oder Aushandlung des Restrukturierungsplans,
- die Überwachung der Tätigkeit des Schuldners und / oder
- die Übernahme der teilweisen Kontrolle über die Vermögenswerte oder Geschäfte des Schuldners.
Im Verhältnis zu Dritten ist der Restrukturierungsbeauftragte zu allen Rechtshandlungen befugt, welche die Erfüllung der mit seinen Aufgaben verbundenen Obliegenheiten mit sich bringt. Er hat dabei im Rahmen seiner Geschäftsführung die gebotene Sorgfalt anzuwenden und die (Sonder-)Interessen der einzelnen Beteiligten zu wahren. In diesem Zusammenhang ist der Restrukturierungsbeauftragte gegenüber allen Beteiligten auch für pflichtwidrig verursachte Vermögensnachteile verantwortlich.
Insgesamt werden die Aussichten für ein erfolgreiches Restrukturierungsverfahren steigen, wenn unabhängige, fachkundige und erfahrene Turnaround Manager, Wirtschaftstreuhänder, Unternehmensberaterinnen und -berater sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte frühzeitig in das Verfahren einbezogen werden.
IV. Erstellung des Restrukturierungsplans
Ein detaillierter Restrukturierungsplan stellt das Herzstück der neuen ReO dar. Diesen muss der Schuldner bereits mit dem Antrag vorlegen, oder binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist von höchstens 60 Tagen. Auf Grundlage dieses Plans soll der Schuldner die Passivseite seiner Bilanz sanieren und dabei alle wesentlichen Maßnahmen der Sanierung, aber zwingend folgende Inhalte darstellen:
- wirtschaftliche Situation des Schuldners,
- betroffene Gläubiger und Gläubigerklassen, deren Forderungen gekürzt oder gestundet werden sollen,
- nicht betroffene Gläubiger,
- Restrukturierungsmaßnahmen und
- eine (bedingte) Fortbestehensprognose.
Letztgenannte Fortbestehensprognose soll die Bestandsfähigkeit des Schuldners überprüfen und die Beseitigung einer Überschuldung und die Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners plausibel darstellen.
Was die genannten Restrukturierungsmaßnahmen betrifft, so kann es sich um Folgendes handeln:
- Schuldenschnitte zur Beseitigung der Überschuldung,
- Stundungen von Verbindlichkeiten, um die Liquidität vorübergehend zu entlasten,
- Aufnahme von Sanierungsfinanzierungen,
- Verkauf von Vermögensgegenständen, um dem Unternehmen von außen frische Mittel zur Verfügung zu stellen und eine mögliche Zahlungsunfähigkeit zu überbrücken (beispielsweise Verkauf von Non-Core Assets, gesunden Geschäftseinheiten oder Gesamtveräußerung des Unternehmens).
In der Sanierungspraxis wird die Fortbestehensprognose für gewöhnlich im Rahmen einer integrierten Planungsrechnung durch den Schuldner selbst erstellt, vielfach unter Einbeziehung eines fachkundigen Turnaround Managers. Dabei sollen die Verlustursachen sorgfältig analysiert und die Auswirkungen der avisierten Restrukturierungsmaßnahmen in Rahmen einer Primär- und Sekundärprognose quantifiziert und erläutert werden.
Der umfangreiche Bericht über die Fortbestehensprognose wird in der Regel alle wesentlichen inhaltlichen Anforderungen des Restrukturierungsplans im Sinne der ReO beinhalten und daher die maßgebliche Grundlage für die Entscheidungsfindung der Gläubiger darstellen.
Die Fortbestehensprognose ist dann positiv, wenn die Zahlungs- und Überlebensfähigkeit des Schuldners als überwiegend wahrscheinlich gilt (Wahrscheinlichkeit größer 51 %). Von einer bedingt positiven Fortbestehensprognose spricht man dann, wenn die Beurteilung dieser Fortbestehensprognose von der Annahme und Bestätigung des Restrukturierungsplans abhängt.
Festzuhalten ist, dass das Verfahren allein schon aufgrund der inhaltlichen Anforderungen sowie der Formerfordernisse der Fortbestehensprognose einer umfassenden Vorbereitung bedarf. Die Attraktivität eines Verfahrens nach der neuen Restrukturierungsordnung könnte daher mit der Unternehmensgröße und dem Professionalisierungsgrad des Schuldners steigen.
Da die Höchstfrist von 60 Tagen zur Vorlage eines detaillierten Restrukturierungsplans als sehr kurzfristig bemessen erscheint, ist insbesondere bei komplexen Restrukturierungen die frühzeitige Einbeziehung eines fachkundigen Turnaround Managers jedenfalls zu empfehlen.
Weitere Informationen zum Thema Fortbestehensprognose entnehmen Sie gerne auch unserem „Newsletter 01/2021 – Fortführungsprognose und Fortbestehensprognose“.
V. Klassenbildung und Abstimmung über den Restrukturierungsplan
Das Restrukturierungsverfahren ist kein kollektives, sondern ein selektives Verfahren. Das heißt, der Schuldner kann nach eigenem Ermessen die Verfahrensinstrumente auf einzelne Gläubiger beschränken. (Forderungen von Arbeitnehmern sind dabei ausdrücklich ausgenommen.) Dieses selektive Verfahren stellt in Österreich einen echten Paradigmenwechsel dar, weg von einem Gesamtverfahren im Sinne der Insolvenzordnung.
Für die Abstimmung über den Restrukturierungsplan sind die einzelnen Gläubiger des Schuldners in Gläubigerklassen einzuteilen. Diese Einteilung in Gläubigerklassen ist allein schon deshalb erwähnenswert, weil diese in Österreich durch die Insolvenznovelle 1983 abgeschafft wurde.
Die neue Restrukturierungsordnung sieht folgende Klassen vor:
- besicherte Gläubiger,
- unbesicherte Gläubiger,
- Anleihegläubiger (alle Formen von schuldrechtlichen Papieren, die obligatorische Rechte verbriefen),
- besonders schutzbedürftige Gläubiger (mit Forderungen unter EUR 10.000), und
- nachrangige Gläubiger (z.B. Gesellschafterdarlehen).
Ist der Schuldner ein KMU, sieht der Gesetzgeber im Übrigen von einer Klassenbildung ab.
Sind die Klassen gebildet und der Restrukturierungsplan bzw. der Bericht über die Fortbestehensprognose hinreichend vorbereitet, findet eine Abstimmung über den Restrukturierungsplan im Rahmen einer Plantagsatzung statt.
VI. Annahme und Bestätigung des Restrukturierungsplans
Der Plan gilt wie schon erwähnt als angenommen, wenn eine Summenmehrheit von 75% und eine einfache Kopfmehrheit in jeder Gläubigerklasse dem Restrukturierungsplan zustimmt. Der Restrukturierungsplan kann die vorgesehenen Restrukturierungsmaßnahmen also auch gegen den Willen einer Minderheit durchsetzen, was die entscheidende Neuerung im Rahmen einer außergerichtlichen Restrukturierung darstellt.
Für den Fall, dass die erforderlichen Mehrheiten nicht in jeder Klasse erreicht werden, ermöglicht ein sogenannter „klassenübergreifender Cram-down“ dennoch eine gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans. Dafür ist zumindest eine Zustimmung der Mehrheit der Klassen inklusive der besicherten Gläubiger nötig, oder eine Mehrheit aller „im Geld“ befindlichen Klassen. „Im Geld“ sind jene Klassen, die auch bei einer Fortführung im Insolvenzverfahren eine Verteilungsquote erhalten würden. Der Minderheitenschutz soll dabei im Wege der relativen Vorrangregel („relative priority rule“) sichergestellt werden. Das heißt, dass ablehnende beziehungsweise überstimmte Gläubigerklassen gleichgestellt werden wie gleichrangige Klassen und bessergestellt werden als nachrangige Klassen.
Diese weitreichenden Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte dissentierender Gläubiger könnten häufig ausreichen, um dem Störpotenzial von Akkordstörern entgegenzuwirken, und zwar auch außerhalb eines Restrukturierungsverfahrens beziehungsweise im Rahmen einer rein konsensualen außergerichtlichen Sanierung. Das neue Verfahrensinstrument wird für die Schuldner also häufig eine Fall-Back-Variante darstellen, für den Fall, dass eine außergerichtliche Einigung aufgrund von Akkordstörern nicht erwirkt werden kann.
Der von den Gläubigerklassen angenommene Restrukturierungsplan bedarf der gerichtlichen Bestätigung, um seine Wirkung gegenüber den betroffenen Gläubigern zu entfalten. Diese Bestätigung setzt die Gleichbehandlung aller Gläubiger innerhalb einer Klasse voraus.
Wird der Restrukturierungsplan bestätigt, so werden Sanierungsfinanzierungen sowie sonstige mit der Restrukturierung und dem Fortbetrieb in engem Zusammenhang stehende Transaktionen anfechtungsrechtlich privilegiert. Dies betrifft zum Beispiel Kosten für fachkundige Beratung, Löhne und Gehälter und sonstige Auszahlungen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb. Dabei sind Sanierungsfinanzierungen, die in einem vom Gericht bestätigten Restrukturierungsplan enthalten sind, nicht gemäß § 31 IO wegen Überschuldung anfechtbar.
Dringend erforderliche Überbrückungsfinanzierungen, um die Liquidität und somit den operativen Betrieb des Schuldners während der Verhandlungen zu sichern und die Umsetzung des Restrukturierungsplans nach dessen Bestätigung zu unterstützen, müssen vom Gericht im Übrigen bereits während des Verfahrens genehmigt werden, um anfechtungsrechtlichen Schutz zu erhalten.
Eine Anfechtung vor dem Hintergrund der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bleibt im Rahmen der ReO trotz gerichtlicher Bestätigung weiterhin möglich, womit für den Kreditgeber ein Anfechtungsrisiko entsteht. Das Risiko einer Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stellt sich in der Praxis aber wohl nur bei einem offensichtlich untauglichen Restrukturierungsplan.
Übrigens: In unserem nächsten Newsletter widmen wir uns ausführlich dem vereinfachten Verfahren für Finanzgläubiger sowie den Kritikpunkten an der Restrukturierungsordnung. Außerdem stellen wir die Vorteile der unterschiedlichen Verfahrensinstrumente in Österreich zusammenfassend als Tabelle dar. Sollten Sie in der Zwischenzeit Unterstützung bei der Erstellung eines Restrukturierungsplans benötigen, dann freuen wir uns, wenn Sie mit uns in Kontakt treten.