Die letzten Monate haben uns alle mit außergewöhnlichen Herausforderungen konfrontiert. Nach den kurzfristigen Erstmaßnahmen müssen Unternehmen wieder auf Kurs gebracht werden.
Dr. Gerhard Wüest, Partner der Management Factory, geht in diesem Newsletter der Frage nach, welche Analysen und Maßnahmen angedacht werden sollten, um gut durch die Krise zu kommen. In einem äußerst schwierigen Umfeld müssen jetzt kluge strategische Entscheidungen getroffen werden. Viele Führungskräfte stehen vor einer Herkulesaufgabe.
Herkules war übrigens nahezu unverwundbar – nachdem er den Löwen besiegte. In diesem Sinn wünschen wir Ihnen viel Kraft, um Ihr Unternehmen erfolgreich durch die Krise zu steuern!
Kurzfristige COVID-19-Gegenmaßnahmen wurden evaluiert und gesetzt, meist mit Fokus auf die Liquidität. Was sind die nächsten Schritte, um diese Krise als Unternehmen bestmöglich zu bewältigen? Traditionelle Metriken und Annahmen sind in bestehender Form nicht mehr zwangsläufig gültig.
Viele Unternehmen stehen nach den eingeleiteten kurzfristigen Erstmaßnahmen aktuell vor einer weiteren, großen Herausforderung: Mit welchen Maßnahmen kann ein Unternehmen in einem Umfeld, in dem die globale Wirtschaft noch schwankt und uns die weiteren Folgen des Coronavirus begleiten, mittelfristig wieder auf Kurs gebracht werden? Hier fassen wir die wesentlichen Maßnahmen und Praxistipps zusammen, welche Analysen und Maßnahmen nach der „Erstversorgung“ angedacht werden können, um mittelfristig gut aufgestellt durch die Krise zu kommen.
Je schneller und konsequenter das Unternehmen die Fokussierung auf den strategischen Kern angeht, desto schneller können Defizitspender, die keine strategische Bedeutung haben, eliminiert werden.
Strategischen Kern bestimmen
Es gibt wenige Geschäftsfelder, die nach dem Ende der COVID-Erstmaßnahmen besser dastehen als zuvor, reine Onlinehändler könnten zu dieser Gruppe gehören. Die meisten Unternehmen werden in den nächsten Monaten und Jahren wohl mit einem Nachfragerückgang in fast allen Segmenten konfrontiert sein: Sie sind entweder Verlierer dieses Strukturwandels – denken wir beispielsweise an stationäre Händler oder an Vermieter von Büroimmobilien – oder sie kämpfen mit einem erheblichen Rückgang der Nachfrage.
Dieser Nachfragerückgang wird in vielen Branchen die Wettbewerbsverhältnisse durcheinanderwirbeln. Gewinner werden all jene Unternehmen sein, die ihre Umsätze in Geschäftsfeldern mit dominanter oder den Wettbewerbern in Teilsegmenten überlegener Marktstellung machen. Verlierer werden jene Unternehmen sein, die über keine relativen Wettbewerbsvorteile verfügen und in den letzten Jahren nur deshalb überleben konnten, weil das allgemeine Marktwachstum, das seit mehr als einem Jahrzehnt vorhanden war, diesem Typus von mäßig wettbewerbsfähigen Unternehmen die Existenz gesichert hat.
Der nun folgende Rückgang der Konsumnachfrage wird vielen Unternehmen beziehungsweise einzelnen Geschäftsfeldern innerhalb eines Unternehmens aufzeigen, dass sie nun nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Aktuell ist noch nicht „Hopfen und Malz verloren“. Damit man in einem Unternehmen strategisch die Streu vom Weizen trennen kann, empfiehlt die Management Factory folgende Vorgehensweise:
- Exakte Definition der Geschäftsfelder, in denen ein Unternehmen tätig ist. Ein Geschäftsfeld ist eine abgrenzbare Produkt-Marktkombination, zum Beispiel im Anlagenbau Abfüllanlagen (Produkt) für die europäischen Brauereien (Markt).
- Ermittlung der aktuellen strategischen Ausgangssituation je Geschäftsfeld: Bestimmen der Wettbewerbsintensität, der strategischen Marktstellung des eigenen Unternehmens und der wichtigsten Wettbewerber, der strategischen Wertkettenstruktur sowie der Definition exogener Faktoren, welche auf das Geschäftsfelder einwirken (zum Beispiel Erreichen eines kartellrechtlich relevanten Marktanteils). Die Praxis hat in den letzten Jahrzehnten dafür einfach handhabbare Analysewerkzeuge entwickelt, die Management Factory hat dazu einen eigenen „Toolkit“.
- Simulation, wie ein Nachfragerückgang von x% diese oben angeführte Wettbewerbslandschaft beeinflusst: Oftmals gehören die zwei oder drei bestpositionierten Unternehmen in diesen Geschäftsfeldern zu den strategischen Gewinnern eines Nachfragerückgangs, die anderen Unternehmen werden aufgrund der Marktrückgangs zu strategischen Verlierern. So können Unternehmen mit höheren Marktanteilen gerade in Branchen mit hohen Fixkosten den Mengenrückgang leichter verkraften, weil sie etwa eine Produktionsstraße schließen können – eine Maßnahme, die kleineren Unternehmen oft versperrt bleibt.
- Identifikation der „Gewinner“-Geschäftsfelder und der „Verlierer“-Geschäftsfelder je Unternehmen. Zu den „Gewinner“-Geschäftsfeldern sollten jene gehören, die auch nach einem Nachfragerückgang noch nachhaltig profitabel wirtschaften können, selbst wenn man die Reaktion der Wettbewerber eingepreist hat.
- Organische und/oder anorganische Stärkung der „Gewinner“-Geschäftsfelder, Rückzug aus den „Verlierer“-Geschäftsfeldern (Verkauf oder Liquidation).
- Nutzung von Erkenntnissen aus der Lockdown-Phase über unbedingt notwendige Unternehmensstrukturen. Parallel zur Umsetzung der strategischen Optimierungen kann die Bereinigung von nicht unmittelbar betriebsnotwendigen Kostenblöcken die künftigen Abläufe vereinfachen und beschleunigen.
Am Ende dieser Vorgehensweise sollten Unternehmen stehen, die sich bewusst aus Geschäftsfeldern zurückgezogen haben und damit unter Umständen auch überdurchschnittlich auf Umsatz verzichtet haben. Zugleich haben diese Unternehmen ihre begrenzten personellen und finanziellen Mittel auf jene Segmente gelenkt, in denen ihre strategische Ausgangslage relativ zu ihren Wettbewerbern besser ist. Diese strategische Wettbewerbsposition sollte geeignet sein, in den kommenden Jahren nachhaltig erfolgreich tätig sein zu können, selbst wenn sich die Rahmenbedingungen am Markt nochmals negativ entwickeln werden, was nicht ausgeschlossen werden kann.
Je schneller und konsequenter das Unternehmen die Fokussierung auf den strategischen Kern angeht, desto schneller können Defizitspender, die keine strategische Bedeutung haben, eliminiert werden. Zudem sollte darauf geachtet werden, nicht der Letzte zu sein, der einen Rückzug plant. Denn „den Letzten beißen die Hunde“, unter anderem deshalb, weil die Marktkonsolidierung dann schon fast abgeschlossen ist und für einen Verkauf eines Defizitspenders keine Interessenten am Markt mehr vorhanden sind oder in der Zwischenzeit eventuell auch kartellrechtliche Hürden entstanden sind.
Gerade in Zeiten sinkender Umsatzentwicklung neigen viele Unternehmen dazu, durch die Hereinnahme zusätzlicher Produkte und Dienstleistungen diesen Umsatz kompensieren zu wollen. Dabei vergessen diese Unternehmen oftmals, dass mit der Diversifikation auch die unternehmerische Komplexität steigt und lassen zudem die erwartbaren Handlungen des Wettbewerbs außer Acht. Der aktive Rückzug aus nicht strategischen Geschäftsfelder ist die Antipode zu diesen Vorgängen, er erfordert anfangs wesentlich mehr unternehmerischen Mut, sollte aber langfristig mit nachhaltigen Ergebnissen belohnt werden.
Im nächsten Newsletter stellen wir ihnen jene Maßnahmenpakete vor, welche ihr Unternehmen zu einem finanziellen Outperformer nach Corona führen können.