Krisen, die frühzeitig erkannt werden, können häufig außergerichtlich gelöst werden. Doch in manchen Fällen ist die Einleitung eines Insolvenzverfahrens unausweichlich.
Dr. Martin Pfeffer fasst im aktuellen Newsletter die wichtigsten Handlungsempfehlungen zusammen: Wann muss ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden? Welche Maßnahmen sind zu treffen? Und welche Ergebnisse sind durch gerichtliche Krisenbeseitigung möglich?
Krisen, die frühzeitig erkannt werden, können häufig außergerichtlich gelöst werden. Doch in manchen Fällen ist die Einleitung eines Insolvenzverfahrens unausweichlich. Dr. Martin Pfeffer fasst die wichtigsten Handlungsempfehlungen zusammen und liefert im Folgenden einen Überblick über das Thema gerichtliche Krisenbeseitigung.
Unternehmer und Geschäftsführer bzw. Vorstände sind bei Vorliegen der Insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) grundsätzlich verpflichtet, ein Insolvenzverfahren anzumelden, sofern alle außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen ausgeschöpft wurden und die Insolvenzgründe weiter bestehen. Dies ist auch mit umfangreichen Haftungsfragen verbunden, weshalb eine genaue Kenntnis der insolvenz- und haftungsrechtlichen Rahmenbedingungen von Insolvenzverfahren für Entscheidungsträger unerlässlich ist.
Die folgenden Erkenntnisse fußen auf Erfahrungswerten, die die Management Factory bei der Abwicklung von Insolvenzverfahren gewonnen hat.
Wann ist die Einleitung eines Insolvenzverfahrens unausweichlich?
Ein Unternehmen ist insolvent, wenn es zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist. Eine Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn zum Stichtag die fälligen Schulden höher sind als die bereiten Zahlungsmittel (vergleiche dazu Management Factory-Newsletter 03/2019 ). Überschuldung bedeutet, dass die Verbindlichkeiten höher sind als das Vermögen und es keine positive Fortbestehensprognose gibt. Als Schuldner ist man verpflichtet, spätestens binnen 60 Tagen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Gericht zu stellen.
Ursache für den Eintritt der Krise sind Ereignisse, die eine Fortführung des Unternehmens verhindern. Selbstverständlich werden zuvor alle möglichen Alternativen umfassend bewertet, insbesondere mögliche Kapitalzuschüsse oder Forderungsverzichte, Rangrücktritte oder Stundungen, die eine Insolvenz abwenden könnten. So werden etwa Unternehmensfortführung oder Verkaufsaktivitäten untersucht und in Hinblick auf deren Erfolgswahrscheinlichkeiten bewertet. Eigen- und Fremdkapitalgeber sind frühzeitig und umfassend in diesen Prozess einzubinden.
Wenn eine fundierte Fortbestehensprognose bereits vorliegt, wird diese für einen Vergleich mit den nun neu vorliegenden Erkenntnissen herangezogen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer laufenden Vorschaurechnung in erfolgswirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht.
Welche Maßnahmen sind vor der Anmeldung eines Insolvenzverfahrens zu treffen?
Voraussetzung für die Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens ist eine transparente Aufstellung der Vermögenswerte und Schuldenpositionen. Sobald die Unabwendbarkeit des Insolvenzverfahrens erkannt wird, sind vielfältige Vorbereitungen zu treffen. Die gesetzlich normierte 60-Tage-Frist bis zur Insolvenzeinleitung ist eine Maximalfrist und darf nur ausgeschöpft werden, falls Sanierungsbemühungen innerhalb der Frist erfolgversprechend sind.
Folgende Vorbereitungen sind unter anderem zu treffen:
- Unmittelbare Beauftragung einer insolvenzrechtlichen Unterstützung: Ein Insolvenzanwalt ist zu bestellen, mit ihm oder ihr sind alle wesentlichen Aktivitäten und Entscheidungen abzustimmen. Zudem übernimmt der Insolvenzanwalt zumeist die Schuldnervertretung.
- Sofortige Neuregelung des Bestellverhaltens: Neue Bestellungen dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn sie zur Aufrechterhaltung des Betriebes nötig sind.
- Durchführung von Zahlungen und Leistungen Zug um Zug: Der Leistungs- und Zahlungsaustausch muss einen engen zeitlichen Bezug aufweisen.
- Absicherung von Lagerentnahmen: Die Entnahme noch nicht bezahlter Waren aus dem Lager, die unter Eigentumsvorbehalt stehen, kann durch tägliche Überweisungen auf ein Guthabenkonto bei einer bis dato nicht involvierten Bank abgesichert werden.
- Keine Annahme von neuen Anzahlungen: Falls die Annahme doch erfolgt, ist sie auf ein gesondertes Guthabenkonto zu überweisen.
- Keine Zahlung von Verbindlichkeiten, die bereits fällig sind oder die zukünftig fällig werden.
- Sofern Lohn- und Gehaltszahlungen getätigt werden ist sicherzustellen, dass sämtliche daraus entstehenden Abgaben ebenfalls zur Zahlung gelangen.
- Alle inländischen und ausländischen Steuer- und Abgabenverbindlichkeiten müssen ausgeglichen sein, dies ist zu überprüfen.
- Der Zeitpunkt für die Meldung an das Frühwarnsystem des Arbeitsmarktservices ist abzuklären.
Folgende Vorbereitungen sind unmittelbar vor Insolvenzeröffnung zu treffen:
- Die Information über die bevorstehende Insolvenzeröffnung ist frühzeitig an die Arbeiterkammer weiterzuleiten, damit die Insolvenz-Entgeltfonds aktiviert werden können. Ebenso ist die Mitarbeiterinformation vorzubereiten.
- Vorbereitung des Insolvenzantrages
- Vorbereitung der Pressemitteilung
- Detaillierte Planung der Kommunikation am Tag der Insolvenzeröffnung (gerichtet an Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden, Presse)
- Der Bedarf eines allfälligen Fortführungskredits, der für eine Unternehmensfortführung im Rahmen des Insolvenzverfahrens notwendig ist, muss berechnet werden. Dies betrifft unter anderem den Finanzierungsbedarf, der sich ergibt, damit Aufträge fertiggestellt und die Garantieablöse gesichert werden kann. Allenfalls sind auch die Möglichkeiten einer Factoringfinanzierung zu prüfen.
Wie sehen die Aktivitäten nach Insolvenzveröffentlichung aus?
Der Tag der Insolvenzeinreichung und -veröffentlichung stellt alle Akteure vor außerordentliche Herausforderungen. Deshalb ist es für Einzelunternehmer, Geschäftsführer oder Vorstände von Kapitalgesellschaften so wichtig, diese Zeit detailliert mit dem Insolvenzanwalt vorzubereiten. Viele Schritte sind vorgegeben.
Durch ein Informationsmail an Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden sowie an Tochterunternehmen werden direkt Betroffene vor der Aussendung der Pressemeldung vorinformiert. Die Einbringung des Insolvenzantrags wird inhaltlich und zeitlich im Vorfeld vorbereitet und erfolgt zu einem akkordierten Zeitpunkt. Ein Erstgespräch mit dem Insolvenzverwalter erfolgt unmittelbar darauf.
In einer Betriebsversammlung informieren der Einzelunternehmer oder die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften und der Insolvenzverwalter die Belegschaft über die Insolvenzeröffnung, nennen die Gründe dafür und die Konsequenzen. Vertreter der Arbeiterkammer informieren im Anschluss über die Modalitäten des Insolvenz-Entgeltfonds. Es gehört naturgemäß zu den unmittelbar dringendsten Aufgaben, Mitarbeitern Sicherheit über den Ausgleich ihrer Ansprüche zu geben.
Mitarbeiter sind darüber zu informieren, wie mit Kunden und Lieferanten umgegangen werden soll. So muss zum Beispiel erklärt werden, dass es für Kunden nicht möglich ist, Waren unmittelbar nach Insolvenzeröffnung abzuholen. Es wird empfohlen, dass alle Telefonleitungen und Durchwahlen zu zentralen Auskunftsstellen im Unternehmen umgeleitet werden, um eine einheitliche Information sicherzustellen.
Den Einzelunternehmer oder das vertretungspflichtigen Organ einer Kapitalgesellschaft treffen umfangreiche Informations- und Auskunftspflichten gegenüber dem Insolvenzverwalter oder der Insolvenzverwalterin. Hingegen besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens.
Jedenfalls wird die Teilnahme des gesetzlichen Unternehmensvertreters an Berichtstagsatzungen und Gläubigerausschusssitzungen als vertrauensbildende Maßnahme gesehen, die eine Abwicklung des Insolvenzverfahrens im Einvernehmen mit anderen Stakeholdern des Insolvenzverfahrens deutlich erleichtert.
Zudem ist auch eine intensive Betreuung und Unterstützung jener Mitarbeiter wichtig, die nach Insolvenzanmeldung die Abwicklung oder den (allenfalls befristeten) Fortbetrieb des Unternehmens ermöglichen und sicherstellen.
Welche Ergebnisse sind durch gerichtliche Krisenbeseitigung erzielbar?
Welche Ergebnisse erzielt werden können, hängt vor allem davon ab, ob ein Sanierungsverfahren möglich ist. Voraussetzung für ein Sanierungsverfahren ist, dass
- ein Sanierungsplan vorgelegt wird,
- innerhalb von zwei Jahren mindestens 30 Prozent der Schulden (mit Eigenverwaltung) bzw. mindestens 20 Prozent der Schulden (ohne Eigenverwaltung) bezahlt werden können und dass
- die Mehrheit der Gläubiger (Kapital- und Kopfmehrheit der in der Sanierungsplantagsatzung vertretenen Gläubiger) dem Sanierungsplan zustimmt.
Für das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung ist zudem notwendig, dass das Verfahren noch vertiefender vorbereitet ist.
Beim Konkurs wird das Unternehmen nach Einleitung des Verfahrens vom Masseverwalter oder der Masseverwalterin weitergeführt, wenn die Fortführung den Interessen der Gläubiger entspricht. Im Zuge der Verfahrensabwicklung unterstützen der bisherige Einzelunternehmer, das zuvor vertretungspflichtige Organ einer Kapitalgesellschaft und/oder bisherige Mitarbeiter des Unternehmens den Masseverwalter in der Verwertung von Vermögensgegenständen, sie wirken auch dabei mit, Schäden zu begrenzen. Dies umfasst unter anderem folgende Aktivitäten:
- Prüfung der Berechtigung von Gläubigeransprüchen (im Zuge des Forderungsanmeldungsverfahrens)
- Evaluierung und Sicherung der begonnenen Aufträge: Aufträge können entweder fertiggestellt werden, während der Masseverwalter den Betrieb weiterführt. Aufträge können aber auch an Dritte weitergegeben werden, um einen Sanierungsgewinn zu erzielen oder um zu verhindern, dass (Bank-)Garantien gezogen werden.
- Unterstützung von Verkaufsaktivitäten für materielle Vermögensgegenstände (Grund, Gebäude, Maschinen, Geschäftsausstattung, Lagerware etc.)
- Unterstützung von Verkaufsaktivitäten für Beteiligungen und Unternehmensteile (Aufbereitung relevanter Informationen, Auskunftsgewährung für mögliche Investoren, Organisation und Prüfung des Datenraumes etc.)
- Auskunftserteilung in Bezug auf laufende Gerichtsverfahren bzw. Streitfälle mit Lieferanten oder Kunden. So können Maßnahmen zur Schadensminimierung abgewogen oder Erfolgschancen gewahrt werden.
Fazit:
Trotz umsichtiger Unternehmensführung sind Umstände und Ereignisse möglich, welche die Einleitung eines Insolvenzverfahrens notwendig machen.
Die Entscheidung dazu und die zur Umsetzung notwendigen Schritte gehören zu den herausforderndsten Aufgaben für Einzelunternehmer, Geschäftsführer oder Vorstände. Damit eine drohende Insolvenzgefahr rechtzeitig erkannt werden kann, ist es besonders wichtig, Ereignisse und deren wirtschaftliche Auswirkung auf das Unternehmen laufend zu beobachten und Kapitalgeber einzubinden. Eine rollierende Vorschaurechnung ermöglicht eine zeitnahe Betrachtung verschiedener Optionen.
Nach Einleitung eines Insolvenzverfahrens bedarf es vielfach der Unterstützung von Mitarbeitern, Einzelunternehmern bzw. Vorständen oder Geschäftsführern des insolventen Unternehmens. Nur so kann die möglichst gewinnbringende Unternehmenssanierung oder die möglichst schadensminimierende Verwertung von Vermögensgegenständen gewährleistet werden.
Gesetzliche Vertreter eines insolvenzgefährdeten Unternehmens sollten im eigenen Interesse jene Sachverhalte, die zu besonderen Handlungen neben dem operativen Betrieb führen oder die mit potentiellen Haftungsrisiken verbunden sein können, laufend dokumentieren. In Hinblick auf die Haftungsthematik ist es auch besonders wichtig, rechtzeitig eine insolvenzrechtliche Vertretung beizuziehen. Nur durch die zeitnahe Abstimmung von Entscheidungen mit dem Insolvenzanwalt lassen sich umfangreiche Haftungsrisiken deutlich minimieren.